Berührungen: Deshalb sind sie so wichtig

Berührungen – ob zufällig oder geplant – sind wichtig für den menschlichen Organismus. Die Haut ist unser größtes Sinnesorgan. Eine Umarmung hier, ein Kuss oder Streicheln dort und schon geht es uns besser. Sie bauen Stress ab und tragen zum Wohlbefinden bei. Aber mehr noch. Über die Bedeutung von Berührungen, welche Formen es gibt und wie Sie gut für sich sorgen können…

Berührungen: Deshalb sind sie so wichtig

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Bedeutung von Berührungen

Wer kennt das nicht: Wenn wir uns freuen und glücklich sind, wollen wir die ganze Welt umarmen. Auch Menschen in Trauer finden Trost in Umarmungen. Und nicht zuletzt sind Berührungen Teil der menschlichen Sexualität. Berührungen dienen aber nicht nur der Reguluation von Emotionen. Wie wichtig Berührungen sind, findet die Forschung langsam erst heraus. Beim sogenannten Kangarooing (auch Känguru-Methode oder Känguruhen) bindet man frühgeborene Säuglinge direkt an den Körper der Mutter oder des Vaters, auf die nackte Haut.

Diese nach dem australischen Beuteltier benannte Methode macht nicht nur den Brutkasten weitgehend überflüssig, sie erhöht die Überlebenschancen und stärkt die Eltern-Kind-Bindung enorm. Gleichzeitig entspannt sie die Frühgeborenen und beugt Entwicklungsstörungen vor: Die Babys wachsen besser und verkraften Schmerzen leichter. Das alles machen die Wärme und Nähe sowie der vertraute Geruch des Elternteils möglich – übermittelt durch den direkten Hautkontakt. Aber Berührungen bewirken noch mehr, und das auch bei Erwachsenen. Untersuchungen zeigten interessante Zusammenhänge:

  • Berühren Kellner den Gast zuvor kurz am Arm, erhalten sie später mehr Trinkgeld.
  • Patienten verspüren weniger Schmerzen, wenn man ihre Hand hält.
  • Der Blutdruck von Studierenden sowie ihr Stresslevel sinken, wenn man ihnen vor der Prüfung leicht auf die Schulter klopft.
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Die Haut als größtes Sinnesorgan

Riechen, schmecken, sehen, hören und tasten: Diese fünf klassischen Sinne helfen uns, Reize aus unserer Umwelt wahrzunehmen und zu verarbeiten. Wer sich die Ohren, Nase und Mund zuhält und die Augen schließt, kann dennoch fühlen. Aus zwei Quadratmetern Oberfläche besteht das größte und gleichzeitig empfindlichste Sinnesorgan. Wir können uns dem Fühlen nicht verschließen. Millionen von Rezeptoren sorgen dafür, dass wir Hitze und Kälte als auch Berührungen wahrnehmen.

Ausgelöst werden diese Wahrnehmungen von Nervenbahnen, die Signale an das Hirn senden. Dort findet die Bewertung statt, mit der jemand die Art einer Berührung einordnet. Dafür sorgen beispielsweise die sogenannten C-taktilen Nervenzellen. Die hat man erst vor 20 Jahren entdeckt. Sie sind für liebkosende Berührungen zuständig und direkt mit dem Belohnungszentrum im Gehirn verbunden. Durch langsames Streicheln etwa schüttet der Körper Oxytocin aus. Das Glücks- oder auch Kuschelhormon hilft beim Abbau von Stress. Herzschlag und Atmung verlangsamen sich, wir kommen in einen Entspannungsmodus.

Andere Zellen übernehmen hingegen andere Aufgaben. So lässt sich die Beschaffenheit von Gegenständen durch die Merkelzellen (vor allem an Lippen und Fingerkuppen) feststellen. An den Händen und Fingerspitzen sitzen die Meissner-Körperchen. Die empfinden Vibration. Am ganzen Körper sitzen Tastsinn-Rezeptoren für Kälte und Schmerz.

Berührungen als unangenehm empfinden

Längst nicht alle Berührungen empfindet der Mensch als angenehm: Körperliche Züchtigung bei Kindern sind gegen die Menschenwürde und seit rund 20 Jahren unzulässig. Gewaltanwendungen in Form von Schlagen und Verletzen können psychische Schäden verursachen. Auch anderweitig grenzüberschreitende Berührungen zählen klar dazu – es gibt auch ein Zuviel an Nähe.

Studien über die Ursprünge

Vieles ist über die Bedeutung von Berührungen noch unbekannt. So erkannte man manche Zusammenhänge im Laufe der Menschheit eher zufällig. Früher gingen Forscher noch recht unbedarft an viele Dinge heran – heraus kamen aus heutiger Sicht ethisch fragwürdige Versuche. Bestes Beispiel sind die sogenannten Kaspar-Hauser-Versuche. Benannt sind sie nach einem Kind, das 1828 in Nürnberg scheinbar aus dem Nichts auftauchte und kaum reden konnte. Spätere Versuche zielten darauf ab, bestimmte Ursprünge herauszufinden, indem man Kinder oder Tiere völlig isolierte.

Bekannt sind Versuche unter Friedrich dem II. im 13. Jahrhundert. Der Stauferkönig wollte die Ursprache der Menschen herausfinden. Er wies Ammen an, bestimmte Kinder zu isolieren. Sie durften diese Kinder stillen, baden und wickeln. Berührungen jedoch oder mit den Kindern zu sprechen, wurde ihnen verboten. Die Versuche scheiterten kläglich: Einer Ursprache vermochte man nicht auf die Spur zu kommen. Schlimmer noch: Den Quellen zufolge sollen die Kinder an mangelnder Zuwendung verstorben sein.

Neuere Versuche

Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts unternahm der Verhaltensforscher Harry Harlow Experimente. Mithilfe von kleinen Rhesusäffchen erforschte er die Mutter-Kind-Bindung. Den Äffchen stellte er eine milchspendende „Ersatzmutter“ aus Draht und eine kuschelige „Stoffmutter“ ohne Milch zur Seite. Die neugeborenen Tierchen gingen lediglich zur Nahrungsaufnahme zur Drahtmutter, danach kuschelten sie mit der Stoffmutter. Diese war auch wichtig für die Tierchen, sobald sie in eine neue Umgebung kamen – ohne sie zeigten sich die Äffchen verängstigt.

Harlows Zeitgenosse Wayne Dennis, ebenfalls amerikanischer Psychologe, hatte zwanzig Jahre zuvor noch mit zwei Zwillingsmädchen experimentiert. Im Alter von 36 Tagen nahmen er und seine Frau die Kinder einer alleinstehenden Mutter bei sich auf. In einem spärlich möblierten Raum wuchsen die Babys getrennt durch eine Stellwand für 15 Monate auf. Dennis und seine Frau suchten die Säuglinge lediglich zum wickeln, baden oder füttern auf oder um Versuche durchzuführen. Details über die Entwicklung der Mädchen wurden nie veröffentlicht. Aber der Mangel an Berührungen führte nachweislich zu Entwicklungsverzögerungen.

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Formen der Berührung

Es gibt unterschiedliche Formen der Berührung. Die ersten liebkosenden und fürsorglichen Berührungen erfahren Menschen durch ihre Eltern. Später kommen zärtliche Berührungen durch den Partner hinzu. Aber auch Selbstberührung ist für das Wohlbefinden wichtig. Gemeint ist keineswegs Selbstbefriedigung, sondern unbewusste Berührungen. Bis zu 600-mal am Tag fassen wir uns ins Gesicht, zupfen am Ohrläppchen oder packen uns an die Stirn. Zum Grübeln kratzen wir uns am Kopf oder stützen das Kinn in die Hand.

Manche Berührungen sind kulturell bedingt: Je nach Kultur gibt es unterschiedliche Begrüßungsrituale. Während man sich in westlichen Ländern vornehmlich die Hände schüttelt, sind in asiatischen Ländern kontaktlose Verbeugungen üblich. In südlichen Ländern, Spanien, Italien oder Südamerika hingegen sind die Distanzzonen von vornherein geringer. Umarmungen und Begrüßungsküsse sind weit verbreitet.

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Berührungen im Alter

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Als solches sucht er immer auf eine oder andere Art die Nähe anderer. Fehlende Berührungen signalisieren: Du bist allein und auf Dich selbst gestellt. Nicht zu unterschätzen ist die psychologische Signalwirkung. Im Zweifelsfall kann das sogar das Überleben gefährden. Denn Berührungen tragen nicht nur zum Wohlbefinden bei, sondern stärken das Immunsystem.

Besonders ältere, pflegebedürftige Menschen leiden jedoch an Einsamkeit. Der Mangel an sozialen Kontakten bewirkt gleichzeitig einen Berührungsmangel. In der Pflege unterscheidet man zwei verschiedene Formen der Berührung:

  • Funktionale Berührung
    Diese Form der Berührung ist notwendig, um einen Pflegebedürftigen mit dem Notwendigsten zu versorgen. Dazu zählen Tätigkeiten im Bereich der Körperpflege, Kleidungswechsel oder Hilfe bei der Nahrungsaufnahme.
  • Emotionale Berührung
    In den zwischenmenschlichen Bereich gehört diese Berührung: Freundschaftliche Gesten wie eine Hand auf der Schulter, ein Berühren am Arm oder an der Hand, selbst ein Streicheln über dem Kopf beim Kämmen der Haare zählt zum emotionalen Hautkontakt.

Leider setzen Personalmangel und Rahmenbedingungen Pflegekräfte und Fachpersonal zunehmend unter Druck: Zeit bleibt häufig nur noch für funktionalen Kontakt, das Zwischenmenschliche kommt zu kurz.

Was können Alleinstehende tun?

Lange saß man dem Irrtum auf, dass Singles durch ein aktives Sexleben eine Fülle an Begegnungen und Berührungen vorweisen könnten. Mittlerweile weiß die Forschung, dass Menschen in Partnerschaft deutlich häufiger Sex haben. Und damit eben auch mehr Berührungs- und Hautkontakt mit einem anderen Menschen. Angesichts von derzeit knapp 23 Millionen alleinstehenden Menschen in Deutschland tut sich ein Problem auf: Woher können einsame Menschen sich den nötigen Körperkontakt holen?

  • Gönnen Sie sich eine Massage
    Ganz gleich, ob Sie ein Wellness-Hotel für Ihren nächsten Urlaub buchen oder einen Physiotherapeuten aufsuchen: Eine Massage verspricht dreifachen Nutzen. Ihre Haut fühlt sich durch die ätherischen Öle anschließend weich und entspannt an, die Haut wird durchblutet und Ihr ganzer Organismus fühlt sich wohl.
  • Treffen Sie sich mit Freunden
    Balsam für die Seele sind Treffen mit Freunden. Schon 20 Sekunden Umarmung reichen, um das Wohlbefinden zu steigern. Mittlerweile gibt es mancherorts sogar sogenannte „Kuschelpartys“: Das Prinzip ist schnell erklärt – wildfremde Menschen treffen sich auf organisierten Events, um miteinander zu kuscheln. Was nicht jedermanns Sache ist, ist den raren Kontakten vieler Menschen geschuldet. Voraussetzung für die wohltuenden Effekte ist, dass Sie sich offen darauf einlassen können.
  • Schaffen Sie sich ein Haustier an
    So wie Berührungen Fremder ein angenehmes Gefühl erzeugen können, lässt sich durch ein Haustier der Berührungsmangel ausbügeln. Das fluffige Fell eines Hundes, einer Katze oder eines Kaninchens streichelt die Sinne. Und Tiere können ihre Zuneigung sehr deutlich kundtun. Ein Haustier ist somit nicht nur Zeitvertreib, sondern erhöht gleichzeitig die Lebensqualität.

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[Bildnachweis: Africa Studio by Shutterstock.com]

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