Was bedeutet Frugalismus?
Die Verwunderung und die Neugier über Frugalismus ist gemeinhin groß: Wie leben Frugalisten? Was ist Frugalismus genau? Der Begriff „Frugalismus“ hat seinen Ursprung im Lateinischen. Das Wort frugalis hat dabei zwei entgegengesetzte Bedeutungen. Zum einen kann man es mit fruchtig übersetzen. Zum anderen bedeutet es ordentlich, rechtschaffen, brav, wirtschaftlich oder sparsam.
Der Frugalismus leitet sich von der zweiten Wortbedeutung ab und meint eine Form der Bescheidenheit im Lebensstil, in dem die Ausgaben auf das Allernotwendigste beschränkt werden. Das bedeutet, dass sich überzeugte Frugalisten keine schicke, teure Wohnung, kein Auto, keine Restaurantbesuche oder Urlaube gönnen. Sie verzichten auf Dinge, die in der Sichtweise vieler anderer Menschen das Leben erst richtig lebenswert machen.
Stattdessen legen sie jeden einsparbaren Euro auf die hohe Kante beziehungsweise investieren diesen gewinnbringend. Ihr Ziel ist es, möglichst schnell finanziell unabhängig zu werden und nicht mehr aktiv arbeiten zu müssen – am besten schon mit 40.
Frugalismus gewinnt an Bedeutung
Krisen wie die Anschläge des 11. September 2001, die Finanz- und Bankenkrise oder die Corona-Krise verstärken in vielen Menschen das Gefühl, dass nichts auf der Welt wirklich sicher und von Dauer ist.
Geld oder Konsummöglichkeiten können innerhalb von kürzester Zeit weg sein. Eine Gesellschaft, die nur auf diesen Werten aufgebaut sei und ausschließlich den Gott Mammon anbeten würde, müsse zwangsläufig sehr fragil sein, argumentieren die Frugalisten. Vielmehr mache Geld allein nicht glücklich, sondern die persönliche Freiheit.
Frugalismus strebt nach genau dieser. Es geht um eine Unabhängigkeit von Geld und Erwerbsarbeit. Wohl gemerkt: Das betrifft die Arbeit, die man notgedrungen ausüben muss, um seinen Lebensstandard zu halten, nicht um eine Tätigkeit als solche. Viele Frugalisten können sich vorstellen, weiterhin zu arbeiten, selbst wenn sie ihre Unabhängigkeit erreicht haben.
Jedoch nicht zum Zweck des Geldverdienens, sondern um eine Erfüllung im Leben zu haben und etwas zu tun, das sie glücklich macht. Das können zum Beispiel Hobbys, Kindererziehung oder Hilfsangebote für Freunde sein.
Der Grundgedanke hinter Frugalismus ist dabei relativ einleuchtend: Sparsam beziehungsweise sogar minimalistisch leben, solange man sich noch nicht an einen gewissen luxuriösen Lebensstandard gewöhnt hat. Dies geht erfahrungsgemäß besser in jungen Jahren.
Frugalismus ist eine Haltungsfrage
Eine kritische Haltung gegenüber Konsum, Kapitalismus und Gesellschaftsordnung sowie die Bereitschaft zu einem alternativen Lebensstil sind bei jüngeren Menschen deutlich ausgeprägter. Sie sind noch nicht jahrelang Teil des „Systems“ beziehungsweise haben sich noch nicht mit diesem arrangiert, um gegebenenfalls Vorteile daraus zu ziehen.
Aufgrund dieser Haltung liegt für die Frugalisten mit Anfang oder Mitte 40 die Grenze für die eigene finanzielle Unabhängigkeit ebenfalls niedriger. Sie sind keinen aufwändigen Lebensstil gewohnt und brauchen weniger zum Leben.
Zwar gibt es Frugalisten, die sich durchaus Reisen und ein schönes Leben gönnen. Das Hauptziel ist dennoch die persönliche Freiheit und den Vorzug das tun zu können, was man möchte. Frugalisten schätzen es, sich nicht in einem Hamsterrad zu befinden, dem man vermeintlich nicht entfliehen kann.
Daher leben viele Frugalisten mit 40 ihren bereits gewohnten Lebensstil weiter. Sie legen ihren Fokus darauf, viel Zeit für sich und ihre Gedanken zu haben, anstatt von einem Flughafenterminal zum anderen zu hetzen. Weniger ist für sie mehr. Das gilt im Frugalismus häufig noch im Alter – und zwar aus Überzeugung, nicht der Not gehorchend.
Frugalisten Rechner: Wie viel Geld braucht ein Frugalist?
Nur: Wie viel Geld braucht man um finanziell unabhängig zu sein? Überzeugte Frugalisten legen 70 bis 80 Prozent ihres Einkommens zurück. Dieses wandert nicht auf ein Sparkonto, sondern wird in der Regel gewinnbringend investiert (meist in Wertpapiere).
Ihr Ziel ist es, mindestens das 25-fache Ihre Jahresbedarfs auf der hohen Kante zu haben. Bei einer Sparquote von 75 Prozent schaffen das manche bereits nach sieben Jahren. Andere benötigen bis zu 20 Jahre.
Um einen genauen Überblick zu haben, gibt es einen Frugalisten-Rechner. Damit lässt sich einschätzen, wann man als Frugalist seine finanzielle Unabhängigkeit erreicht hat.
Frugalismus PDF: Tipps und Tricks auf einer Checkliste
Stellt sich die Frage: Wie lebe ich frugal? Das oberste Credo im Frugalismus lautet: „Überlege, was du wirklich zum Leben benötigst“. Viele Dinge, die den meisten von uns an Herz gewachsen sind, stellen nach Ansicht der Frugalisten genau genommen keinen Mehrwert fürs eigene Überleben dar.
Sie achten daher darauf, weniger Geld auszugeben, als sie zur Verfügung haben. Als Frugalist muss man daher ein kluger und guter Rechner sein. Einige Beispiele und Spartipps, wie sich Frugalismus umsetzen lässt:
- Benutzung von Fahrrad statt Auto
- Einkauf von Second-Hand-Kleidung und Gegenständen auf dem Flohmarkt
- Reparieren von Produkten statt Neukauf
- Mitgliedschaft in Tauschringen / -börsen
- Containern statt Kauf von Lebensmitteln
- Gegenseitige Hilfen und Unterstützung anstatt ego-fokussierte Problemlösungen
- Selbst kochen statt Restaurantbesuche
- Verzicht auf teure Abos und Verträge
- Konsequenter Verkauf von Dingen, die nicht mehr benötigt werden
- Umzug in eine kleinere, günstige Wohnung
- Nutzung von Rabatten und Coupons
Wir alle können von Frugalisten etwas für unser Leben lernen, um nachhaltiger zu leben. Deshalb haben wir diese Spartipps für Sie in einer gesonderten Checkliste zusammengefasst, die sich sich HIER kostenlos als PDF-Datei herunterladen und ausdrucken können.
Praktische Umsetzung von Frugalismus: Vor- und Nachteile
Neben dem Effekt für das eigene Leben führt Frugalismus automatisch zu mehr Nachhaltigkeit. Der CO2-Austoß und die Müllproduktion ist bei Frugalisten erheblich niedriger als im Bevölkerungsdurchschnitt.
Das ersparte Geld legen Frugalisten meist in Aktien an, die eine hohe Rendite versprechen. Häufig in Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften und in der sogenannten „Green Economy“ beheimatet sind. Dadurch bauen sie sich ihr Polster auf, von dem sie ab Anfang / Mitte 40 leben können.
Frugalismus ist somit eine Lebenseinstellung, die sowohl auf Konsumkritik als auch auf Genügsamkeit aufgebaut ist. Viele Menschen kaufen und konsumieren zweifelsfrei deutlich mehr, als sie müssten. Vor allem Kleidung, Möbel und technische Geräte sind inzwischen nicht mehr darauf ausgelegt, lange zu halten. Sie werden schnell, billig und unter fragwürdigen Umständen produziert. Nach kurzer Zeit landen sie im Müll und werden durch neue Anschaffungen ersetzt.
Zudem sind Ersatzteile wie Akkus, Druckerpatronen oder ähnliches im Verhältnis zu einem kompletten Neuprodukt so teuer, dass für viele Kunden der Neukauf attraktiver ist als die Reparatur. Genau deswegen trifft Frugalismus einen Nerv der Zeit und ist mit seiner Kritik an unserem Lebensstil sicher nicht wegzudiskutieren.
Grenzen des Frugalismus
Trotzdem kann Frugalismus nur unter bestimmten Umständen funktionieren und zuweilen schnell an seine Grenzen stoßen. Einige Beispiele:
- Wer kurze Wege zur Arbeit haben will um auf ein Auto verzichten zu können, muss häufig städtisch und zentral wohnen. Die Mieten sind dort besonders teuer. Um das individuelle Sparziel zu erreichen, kommt dann meist nur eine kleine Wohnung infrage.
- Viele Einschränkungen, wie zum Beispiel der Verzicht aufs Reisen, bedeuten zugleich den Verzicht auf persönliche Lernerfahrungen und Begegnungen. Genau diese bringen viele Menschen in der eigenen Entwicklung aber weiter.
- Eine kleine Wohnung kann gerade für Familien eine Herausforderung an die Konfliktfähigkeit darstellen.
- Frugalismus ist nicht als Massentrend geeignet. Unser Gesellschaftssystem ist leider auf Konsum ausgerichtet. Schließlich wollen Aktienfonds entsprechende Gewinne abwerfen sowie Restaurants und Hotels und weite Teile des Dienstleistungssektors existieren.
- Bei eigener Berufsunfähigkeit oder Kündigung durch den Arbeitgeber fehlen Rücklagen. Allein von ALG II lässt sich keine finanzielle Unabhängigkeit aufbauen.
- Frugalismus ist mit einem kleinen Gehalt nicht möglich. Für eine finanzielle Unabhängig braucht man zumindest einen mittelmäßig bis gut bezahlten Job.
- Der Wunsch nach einer eigenen Immobilie ist nicht Bestanteil einer frugalistischen Philosophie, da sie nicht zwingend lebensnotwendig ist. Das mögen manche sinnvoll finden, anderen würde etwas fehlen.
- Viele Menschen sehen in dem Genuss von Luxus eine Belohnung und ein Synonym für Glück. Frugalismus steht diesen Gedanken entgegen.
- Frugalisten benötigen sehr gute Kenntnisse von den Finanzmärkten. Nur so können sie ihr Ziel in wenigen Jahren erreichen.
Frugalismus: Erfahrungen
Im Zuge der Finanzkrise nahm die Anhängerschaft des Frugalismus in den letzten Jahren stark zu. Viele von ihnen teilen ihre Erfahrungen per Blog, Forum, YouTube-Video mit der Welt oder schreiben ein Buch.
Der bekannteste Frugalist unter ihnen in Deutschland ist Oliver Noelting. Seine Erfahrungen finden sich auf seiner Seite Frugalisten.de.
Hier zeigt er zudem deutlich auf, dass Frugalismus nicht gleichbedeutend mit Minimalismus ist. Das zeigt sich schon im Ziel: Frugalisten geht es um ihre Unabhängigkeit. Bei Minimalisten steht eher im Vordergrund, auf alles Unnötige zu verzichten.
Tipps, um Frugalismus umzusetzen
In Kurzform möchten wir Ihnen zum Abschluss die Konsequenzen aufzeigen, die sich aus diesen Erfahrungen ergeben. Dies gilt für alle, die trotz der Einschränkungen Gefallen an der Idee des Frugalismus entdeckt haben. Für die ersten Schritten zeigen wir einige Tipps, wie es mit der Rente mit 40 klappen kann:
- Prioritätensetzung
Hinterfragen Sie Ihr komplettes Leben. Was ist Ihnen wichtig? Auf was können Sie verzichten ohne wirklich unglücklich zu sein? Dabei kann die berühmte Frage helfen: Welche drei Dinge würden Sie auf eine einsame Inseln mitnehmen beziehungsweise aus einem brennenden Haus retten? - Reflexion
Ein zentraler Bestandteil des Frugalismus ist es, das eigene Verhalten zu reflektieren. Es ist wichtig, sich klar zu machen, wo man lediglich impulsgesteuert konsumiert ohne einen echten Nutzen davon zu haben. Machen Sie sich stattdessen Ihre wahren Bedürfnisse bewusst. - Lernen
Um den Lebensstil umzustellen und Dinge reparieren anstatt neu kaufen zu müssen, ist es wichtig, stets als Neugieriger und Lernender durch die Welt zu gehen. Dazu gehört zum Beispiel das eigenständige Kochen. All dies ist umso leichter, je mehr Sie im sozialen Miteinander und Austausch mit anderen Frugalisten sind. - Geldanlage
Um erfolgreich mit 40 in den Ruhestand gehen zu können, sind genau Kenntnisse der Aktienmärkte unabdingbar. Daher ist Frugalismus mitnichten eine Verweigerung, sich dem Wirtschaftssystem des Kapitalismus komplett zu entziehen. Sie müssen genau wissen, welche Unternehmen zukunftsfähig und welche Branchen zukunftsträchtig sind. Das Erkennen dieser Potenziale erfordert viel Erfahrung und Zeit.
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