Ist Neugier ein Gefühl?
Neugier (Synonym: Neugierde) bezeichnet den Wunsch eines Menschen, etwas Neues zu erfahren oder Forschungsdrang zu befriedigen. Sprachlich steckt in Neugier oder Neugierde bereits das Wort „Gier“ – also heftiges, maßloses Verlangen nach etwas. Dieses Streben nach Unbekannten führt häufig zu einem bestimmten Verhalten. So kann man Neugier als Charaktereigenschaft sehen. Als solche ist sie ein Teilaspekt der Offenheit im Big-Five-Modell. Was genau einen erwartet, ist oft gar nicht klar. Gleichzeitig zeigt sich darin auch die Bereitschaft zur Veränderung.
Wie entsteht Neugier?
Neugier scheint Menschen per se angeboren zu sein: Noch vor eigentlichem Spracherwerb zeigen Kinder Anzeichen von Neugierde. Forscher wie der Psychologe William McDougall sprechen daher auch von einem Instinkt. Kinder müssen jeden Tag neugierig sein. Dies gehört zu ihrer natürlichen Entwicklung. Sie saugen alles auf, was ihnen die Welt bietet, sind neugierig, wissbegierig, wollen den Dingen auf den Grund gehen, Geheimnisse lüften und Fragen stellen. Zuweilen nerven sie damit Ihre Eltern oder bringen sie in Erklärungsnöte, doch Kinder kennen weder Konventionen noch Tabus.
Die Kindheit bestimmt den Umgang mit Neugier für unser restliches Leben: Wer als Kind für allzu große Neugierde eher Rügen und Strafen kassiert hat, wird mit dem Alter zwangsläufig vorsichtiger. Die einst gesunde Neugierde verkehrt sich nun in ihr Gegenteil. Da wird erst einmal gefiltert, analysiert, geprüft und bewertet, um auf Nummer Sicher zu gehen.
Deshalb ist Neugierde wichtig
Der Drang, Dingen auf den Grund gehen zu wollen, nimmt bei vielen mit zunehmendem Alter ab. Mit wachsendem Wissensstand besteht aus ihrer Sicht häufig nicht mehr die Notwendigkeit. Hinzu kommt: Neugier wird nicht immer gern gesehen. Manche fühlen sich durch hartnäckige Fragen gestört oder gar entlarvt. Viele Erwachsene haben daher im Laufe ihres Lebens gelernt, ihren Wissensdrang zu zügeln.
Forscher sehen zudem Anzeichen dafür, dass der Wunsch nach Neuigkeiten und Abwechslung von stärkeren Bedürfnissen dominiert wird. So verlassen viele Menschen ungerne ihre Komfortzone, weil das Bekannte eben auch Geborgenheit und Sicherheit garantiert. Unvorhergesehenes hingegen löst eher Unbehagen oder sogar Angst aus. Wer aber immer auf Nummer sicher geht und niemals neugierig Grenzen austestet, verpasst nicht nur Spannung und positive Überraschung, sondern auch die Chance zu persönlichem Wachstum.
Ist Neugier positiv oder negativ?
Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Der Psychologe Daniel Ellis Berlyne unterscheidet verschiedene Formen der Neugier:
- Perzeptuelle Neugier
Auch als perzeptive oder manipulative Neugier bekannt, beschreibt diese Form eine Neugierde, die durch Sinneseindrücke und Reflexe hervorgerufen wird. Sie zeigt sich beim Interesse, in fremde Länder zu reisen oder fremdartige Nahrungsmittel zu probieren. - Epistemische Neugier
Demgegenüber steht Wissens- und Erkenntnisdrang bei epistemischer Neugier im Vordergrund. Diese Form kommt bei der Problemlösung zum tragen. Jemand bemüht sich gezielt um Informationsbeschaffung, um Klärung zu erreichen. - Interpersonelle Neugier
Richtet sich die Neugierde auf Personen, spricht man von interpersoneller Neugier.
Neugierde kann uns in Gefahr bringen
Vielen gilt Neugier per se als etwas Negatives. Und es stimmt: Neugier kann uns in Gefahr bringen – etwa, wenn ein Kind auf eine heiße Herdplatte packt. Wenig positiv ist auch, wenn es nicht um Problemlösung geht, sondern sich die Neugierde lediglich danach richtet, was andere Personen so treiben. Dann wirkt der Wunsch nach Neuigkeiten eher banal. Und kann – je nachdem, ob der Wunsch grenzverletzend ist – großen Ärger nach sich ziehen. Etwa wenn Sie die Nachrichten auf dem Handy Ihres Partners nachlesen.
Andererseits fasst ein arabisches Sprichwort es gut zusammen: „Nur ein Tag, an dem Du nichts Neues erfahren hast, ist ein verlorener Tag.“ Dinge zu erfahren und zu erlernen ist für viele sinnstiftend. Diese Offenheit ist die Grundvoraussetzung für Lernprozesse jeglicher Art und für den wichtigen Umgang mit Veränderungen.
Wie kann man Neugierde wecken?
Wie erwähnt, ist Neugierde grundsätzlich in jedem Menschen angelegt. Manchmal ist sie allerdings etwas verschüttgegangen. Wer das bei sich beobachtet, kann sich selbst fragen: Wie reagiere ich auf Neues und Unbekanntes – eher skeptisch und ängstlich oder offen und neugierig? An dieser Stelle sollten Sie reflektieren, welche Erfahrungen und Erwartungen womöglich dazu beitragen, dass Sie keine Lust haben, Neues zu entdecken.
9 Tipps für mehr Neugier
So oder so gibt es zahlreiche Vorteile (siehe unten), wenn Sie sich Ihren Wissensdrang bewahren oder wiederentdecken. Gelingen kann Ihnen das mit diesen Tipps:
- Lesen Sie Bücher oder hören Sie ein Hörbuch. Und zwar aus verschiedenen Genres.
- Probieren Sie ein neues Hobby aus.
- Engagieren Sie sich (zum Beispiel in einem Seniorenbeirat).
- Beginnen Sie ein neues Projekt: eine große Reise oder ein Seniorenstudium beispielsweise.
- Probieren Sie kulinarisch etwas Neues aus. Testen Sie ein neues Restaurant oder probieren Sie exotische Früchte.
- Bewegen Sie sich. Geistig aber auch körperlich. Nur in einem gesunden Körper kann ein gesunder Geist wohnen. Darum ist Sport so wichtig.
- Verbringen Sie Ihre Zeit mit Ihren Freunden unterschiedlich. Es muss nicht immer das Bier in der Stammkneipe sein. Wie wäre es zum Beispiel mit geselligen Abenden?
- Hinterfragen Sie Rituale. Manche sind wichtig, andere mitunter überholt oder völlig sinnentleert.
- Fragen gehört zum Reden. Hinterfragen Sie daher mehr. „Wieso, weshalb, warum“ sollte nicht nur der Sesamstraße vorbehalten sein.
Vorteile von Neugier
Selbst das Eintauchen in Klatsch- und Tratschgeschichten hat eine wichtige Funktion: Dahinter steckt nicht mehr und nicht weniger als der Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe. Selbst wenn andere Menschen dies als übergriffig empfinden, da der Nachbar wieder einmal seine sprichwörtliche Nase in etwas steckt, das ihn nichts angeht.
Sinn und Zweck der Neugierde ist eben, dass wir uns bisweilen die Finger verbrennen, Grenzen austesten und damit mitunter negative Erfahrungen machen. Doch jede Erfahrung ist ein Lernerfolg. Daher ist Neugier für unser Leben so wichtig:
1. Neugier zeigt uns neue Welten
Neugier fördert die Fantasie. Gerade durch das Lesen neuer Bücher entdecken wir andere Blickwinkel und schärfen unsere Vorstellungskraft. Die Neugier auf Musik und neue Stilrichtungen fördert zum Beispiel unsere emotionale Vielseitigkeit und Flexibilität.
2. Neugier macht uns interessanter
Wer viel nachfragt und vor allem ehrlich am Gegenüber interessiert ist, wird als angenehmer und sympathischer Zeitgenosse wahrgenommen. Eben keiner, der sich ständig in den Mittelpunkt stellen möchte, sondern jemand, der den anderen das Wort lässt und zuhören kann – eine immer seltener gewordene Tugend.
3. Neugier fördert unsere Toleranz
Wer sich offen und unvoreingenommen für andere Sichtweisen, Ideen und Gedanken zeigt, bleibt aufgeschlossen und entwickelt mehr Empathie für seine Umgebung. Auf diese Weise finden Neugierige schneller neue Freunde und bringen mehr Abwechslung in ihr Leben.
4. Neugier macht uns authentisch
Menschen, die voller Neugier stecken, müssen sich nicht verstellen. Im Gegenteil: Durch ihre Neugier sind sie stets auf der Suche nach frischen Ideen und Gedanken und müssen nicht so tun, als wüssten sie schon alles. Daher geraten sie weniger schnell in die Defensive, ihre eigene Haltung verteidigen zu müssen. Das Interesse an Neuem macht uns im Endeffekt selbstsicherer und souveräner.
5. Neugier ist maßgeblich für Erfolg
Dabei scheint ein wichtiger Faktor zu sein, dass Neugierde und Wissen Hand in Hand gehen. Man kann nicht neugierig bleiben, ohne etwas zu lernen. Dieses Wissen und diese Grundhaltung irgendwann weiterzugeben, macht einen im Alter zu einem gefragten Ratgeber und verschafft Ihnen nebenbei ein Hochgefühl.
6. Neugier macht glücklich
Von unserem Wesen her ist die Neugier immer darauf angelegt, nach einer besserer Lösung, einem einfacheren Lebensweg zu suchen. In gewisser Hinsicht ist dafür eine positive Lebenseinstellung, ein positives Denken nötig: der Glaube daran, dass alles besser werden kann. Neugierige Menschen beharren nicht auf dem Status Quo oder leiten ihre Energie dahin, diesen zu beklagen, sondern sie glauben an und suchen nach mehr Lebensfreude und Glück. Und sie ruhen sich selten auf dem Erreichten aus. Stattdessen reflektieren sie sich und stecken sich regelmäßig neue Ziele.
7. Neugier verlängert das Leben
Bei einer Langzeitstudie, an der rund 2.000 Senioren zwischen 60 und 86 Jahren beteiligt waren, kam heraus: Neugier bescherte den Probanden eine deutlich höhere Lebenserwartung. Und das sogar unabhängig von Risikofaktoren wie Rauchen, ungesunder Ernährung oder Erkrankungen.
Krankhafte Neugier: Psychologie dahinter
Der Begriff „krankhaft“ wird umgangssprachlich schnell benutzt. Besonders dann, wenn wir uns von neugierigen Menschen gestört, belästigt oder gar ertappt fühlen. Die Psychologie verwendet „krankhaft“ deutlich sparsamer. Psychologen sprechen von „krankhafter Neugier“ in Zusammenhang mit Zwängen, denen der Betroffene unterliegt und gegen die er sich nicht wehren kann. So zum Beispiel im Bereich des Stalking. Es handelt sich bei krankhafter Neugierde also um eine psychische Krankheit, die therapiert werden muss.
Die Betroffenen können nicht mehr unterscheiden, wann eine (oft strafbare) Grenze erreicht ist. Die Neugierde quält sie immer weiter – auch wenn sie bereits schon zu negativen Erfahrungen geführt hat. Um im obigen Beispiel mit der Herdplatte zu bleiben: Krankhafte Neugier ist dann erreicht, wenn trotz des Schmerzes immer wieder auf diese Herdplatte gefasst wird, weil der Trieb der Betroffenen nichts anderes zulässt.
Neugier: Sprüche und Zitate
Einige Sprüche und Zitate berühmter Denker zum Thema Neugier:
- „Die Neugier steht immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will.“ (Galileo Galilei)
- „Wenn die Neugier sich auf ernsthafte Dinge richtet, dann nennt man sie Wissensdrang“ (Marie von Ebner Eschenbach)
- „Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt – sieh sie dir an.“ (Kurt Tucholsky)
- „Zu fragen bin ich da, nicht zu antworten“ (Henrik Ibsen)
- „Die Liebe besteht zu drei Vierteln aus Neugier.“ (Giacomo Casanova)
- „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ (Albert Einstein)
Neugier ist der Katze Tod
Das Zitat „Neugier ist der Katze Tod“ (aus dem Englischen: „Curiosity killed the cat“) leitet sich aus der Volksweisheit ab, dass zu viel Neugier gefährlich sei. Es rührt daher, dass sich Katzen, die gerne alles entdecken möchten und überall nach Beute suchen, mitunter irgendwo herunterfallen, einem Stromschlag oder ähnlichen Lebensgefahren ausgesetzt sein können. Schmerzliche Erfahrungen machen auch wir Menschen in unserem Leben – etwa dadurch, dass man eigene Grenzen beim Extremsport austestet, Drogen probiert oder sonstige Grenzerfahrungen.
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