Pflegestufen: Geld für Angehörige?
In erster Linie erhalten die Pflegebedürftigen selbst Geld, denn nur sie haben Anspruch auf die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Indirekt kommt das Geld aber durchaus den Angehörigen zu Gute, denn sie müssten im Pflegefall sämtliche Kosten aus der eigenen Tasche bezahlen, sofern bei den Pflegebedürftigen selbst keine Rücklagen vorhanden sind. Zumindest war dies früher so, bevor es die Pflegeversicherung gab.
Beispiele für Pflegebedürftigkeit
Als pflegebedürftig gilt, wer seinen Alltag nicht mehr völlig unabhängig von Unterstützung durch Außenstehende gestalten kann. Dabei ist es unerheblich, ob pflegende Angehörige oder professionelle Pflegedienste die Hilfe erbringen. Entscheidend ist, dass der Betroffene seine Beeinträchtigungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen kann. Gemäß § 14 des Elften Sozialgesetzbuches (SGB XI) kann Pflegebedürftigkeit sowohl körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen beinhalten.
In manchen Fällen schließt das die Hygiene- und Körperpflege mit ein, in anderen reicht vielleicht ein bisschen Unterstützung im Haushalt. Abhängig davon, wie stark die Einschränkungen im Alltag waren, werden Personen nach Feststellung und Anerkennung dieser Pflegebedürftigkeit bestimmten Pflegestufen beziehungsweise Pflegegraden zugeordnet.
Definition: Was bedeutet Pflegegrad und Pflegestufe?
Bis vor einigen Jahren existierten offiziell drei Pflegestufen. Die Zuteilung in eine der existierenden Pflegestufen entschied darüber, ob eine Person Anspruch auf Pflegegeld hatte und wenn ja, in welcher Höhe. Dazu musste die Pflegebedürftigkeit ärztlich attestiert werden. Das Zweite Pflegestärkungsgesetz überführte die alten Pflegestufen in fünf neue Pflegegrade.
Neue Pflegestufen gemäß Pflegebedürftigkeit
Bisher richteten sich die Pflegestufen danach, wieviel Zeit die pflegerische Hilfe für die notwendigen Erledigungen brauchte. Das bezog sich sowohl auf die Grundpflege (umfasst die Bereiche Ernährung, Mobilität und Körperpflege) als auch auf die hauswirtschaftliche Versorgung.
Die neuen Pflegestufen beziehungsweise Pflegegrade orientieren sich an einem erweiterten Verständnis von Pflegebedürftigkeit. Notwendig wurde dies, da in der der alten Einteilung Demenzkranke in deutlich geringerem Umfang berücksichtigt wurden.
Diese Pflegegrade gibt es
Der Wechsel von einer bestimmten Pflegestufe in einen Pflegegrad fand unter Einhaltung des Bestandschutzes statt. Heißt: Die Versicherten erhalten wenigstens die gleiche oder sogar eine höhere Leistung. Sie müssen jedoch keinesfalls eine Schlechterstellung befürchten.
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Pflegegrad 1
Hier werden Personen eingeordnet, die in ihrer Selbständigkeit nur geringfügig beeinträchtigt sind. Das alte System der Pflegestufen hat diesen Grad der Unselbständigkeit nicht erfasst. Somit können erst seit 2017 Menschen diesen Pflegegrad beantragen.
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Pflegegrad 2
Pflegegrad 2 erfasst Personen, deren Selbständigkeit erheblich eingeschränkt ist. Wer bisher in den Pflegestufen 0 oder 1 eingeordnet war, wurde zum 1. Januar 2017 ohne erneutes Gutachten automatisch in Pflegegrad 2 überführt.
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Pflegegrad 3
Anspruch auf Leistungen nach diesem Pflegegrad haben Versicherte, bei denen eine schwere Beeinträchtigung der Selbständigkeit vorliegt. In Pflegegrad 3 wurden Versicherte überführt, die bis Ende 2016 bereits Pflegestufe 2 zugeordnet waren. Ebenfalls erhielten automatisch Versicherte Pflegerad 3, wenn sie bei Demenz in Pflegestufe 1 eingeordnet waren, aber höhere Pflegeleistungen benötigen.
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Pflegegrad 4
Bei diesen Pflegebedürftigen ist die schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit attestiert. Für Pflegegrad 4 sind keinerlei neue Anträge oder Begutachtungen notwendig. Wer Pflegestufe 2 mit eingeschränkter Alltagskompetenz oder aber Pflegestufe 3 war, erhielt nun Pflegegrad 4.
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Pflegegrad 5
Dieser Pflegegrad erfasst die alte Härtegradregelung im Pflegestufensystem. Pflegegrad 5 erhalten Versicherte, deren schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen für die pflegerische Versorgung einhergeht.
Pflegestufen Tabelle: Wieviel Geld gibt es?
Wieviel Geld es für jede Pflegestufe gibt, ist davon abhängig, welche Art der Pflege notwendig ist. Unterschieden wird dabei zwischen ambulanter und stationärer Pflege. Bei der ambulanten Pflege gibt es drei Arten von monatlichen Leistungen:
- Pflegegeld
Das Pflegegeld steht den pflegenden Angehörigen als Ausgleich für ihre Leistungen zu. - Pflegesachleistungen
Als Pflegesachleistungen gelten die Kosten, welche die professionelle Pflegekräfte beanspruchen. - Entlastungbetrag
Der Entlastungsbetrag soll pauschal die Unkosten decken, die in Zusammenhang mit der Pflege entstehen. Dieser beträgt immer 125 Euro – in jedem Pflegegrad.
Weitere Leistungen je nach Pflegebedürftigkeit
In allen Pflegegraden stehen Ihnen zudem 60 Euro für Pflegehilfsmittel, 23 Euro für einen Hausnotruf sowie 214 Euro Wohngruppenzuschuss zu – sofern die einzelnen Posten nachweisbar sind. Einmalig können von der Pflegeversicherung zudem in jedem Pflegegrad bis zu 4.000 Euro für die Wohnraumanpassung, also den barrierefreien Umbau, gewährt werden.
Dazu kommen ab Pflegegrad 2 noch jährlich 1.774 Euro für die Kurzzeitpflege und 1.612 Euro für die Verhinderungspflege. Die weiteren Leistungen sind abhängig vom Pflegegrad und sind folgendermaßen aufgeschlüsselt:
Pflegesachleistungen bei ambulanter Pflege
Wer unter Pflegegrad 2 bis 5 fällt, erhält Geld für die Pflege im Rahmen einer häuslichen oder ambulanten Versorgung. Pro Monat können Sie mit folgenden Geldleistungen für Pflegesachleistungen rechnen, wenn Sie durch einen Pflegedienst oder in einer Einrichtung ambulant versorgt werden:
- Pflegegrad 1: mit 0 Euro
- Pflegegrad 2: mit 724 Euro
- Pflegegrad 3: mit 1.363 Euro
- Pflegegrad 4: mit 1.693 Euro
- Pflegegrad 5: mit 2.095 Euro
Pflegegeld bei ambulanter Pflege
Wer Pflegerad 2 bis 5 erhält und stattdessen von Angehörigen, Freunden oder Bekannten gepflegt wird, kann Pflegegeld für die häusliche Pflege beantragen. Hier können Sie monatlich mit folgenden Leistungen rechnen:
- Pflegegrad 1: mit 0 Euro
- Pflegegrad 2: mit 316 Euro
- Pflegegrad 3: mit 545 Euro
- Pflegegrad 4: mit 728 Euro
- Pflegegrad 5: mit 901 Euro
Leistungen bei stationärer Pflege
Für die vollstationäre Pflege in einem Pflegeheim stehen diese Mittel bereit:
- Pflegegrad 1: 0 Euro
- Pflegegrad 2: 770 Euro
- Pflegegrad 3: 1.262 Euro
- Pflegegrad 4: 1.775 Euro
- Pflegegrad 5: 2.005 Euro
Wichtig zu wissen: Sie dürfen auch ohne anerkannte Pflegestufen in ein Pflegeheim ziehen – müssen die Kosten allerdings selbst bezahlen.
Pflegestufen berechnen: Wann welcher Pflegegrad gilt
Für die Einteilung in einen der fünf Pflegegrade ist der Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) verantwortlich. In seinem Prüfungsverfahren (Neues Begutachtungsassessment, kurz NBA) ermittelt er die Selbständigkeit der zu begutachtenden Person anhand eines Fragenkataloges.
Entsprechend der Antworten gibt es Punkte nach einem bestimmten Punktesystem. Je höher die Punktzahl ausfällt, desto höher ist der Pflegegrad – und mit steigendem Pflegegrad steigen die Leistungen der Pflegekasse. Folgende Module (inklusive der Gewichtung am Gesamtergebnis in Prozent) kommen zum Tragen:
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Körperliche Mobilität (10)
Dies schließt nicht nur das Gehen und Treppensteigen ein, sondern beispielsweise auch den Positionswechsel im Bett oder dass eine Person aufrecht sitzenbleiben kann.
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Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (7,5)*
Kann der Patient sich noch klar verständigen und Bedürfnisse artikulieren, ist seine Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt, wie steht es um die räumliche und zeitliche Orientierung?
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Allgemeines Verhalten (7,5)*
Welche Verhaltensweisen zeigt der Patient? Hierunter fallen sowohl motorische als auch psychisch schwierige Reaktionen und Handlungen wie etwa aggressives, lautes Verhalten aber auch nächtliche Unruhe oder depressive Verstimmungen.
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Fähigkeit zur Selbstversorgung (40)
Das schließt die elementare Körperpflege wie waschen, Zähne putzen, Haare bürsten ein sowie selbständiges An- und Ausziehen und Zubereitung der Nahrung. Auch Ausscheidungen und der Umgang mit Dauerkatheter und Stomabeutel im Falle von Inkontinenz fallen unter diesen Punkt.
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Umgang mit Belastungen (20)
Hierunter ist vor allem der Umgang mit Krankheiten und ihren Folgen zu verstehen. Hält der Patient sich an die notwendige Medikation? Braucht er Hilfe bei Arztbesuchen und Therapien?
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Gestaltung des Alltags (15)
Im Fokus steht hier, inwieweit der Patient seinen Tag noch selbst strukturieren kann. Eine große Rolle spielen dabei sozialen Kontakte zu anderen Menschen und Interaktionen mit der Umwelt.
* Wichtig: Modul 2 und 3 werden gemeinsam betrachtet (15 Prozent Gewichtung), aber nur der höhere Wert fließt in die Berechnung ein: Also entweder kommunikative und kognitive Fähigkeiten oder allgemeines Verhalten (Verhaltensweisen und psychische Problemlagen).
Pflegestufen beantragen: Eingruppierung in Pflegegrad
Den Antrag auf Feststellung eines Pflegegrades stellen Sie formlos bei Ihrer Pflegekasse, die Ihrer Krankenversicherung zugeordnet ist. Der weitere Ablauf ist dann folgender:
- Ein Gutachter nimmt Kontakt zu Ihnen auf und vereinbart mit Ihnen einen Begutachtungstermin.
- Bei diesem begutachtet der Mitarbeiter die Einschränkungen ermittelt die Pflegebedürftigkeit.
- Mit einem Punktesystem wird der Grad der Pflege berechnet.
- Die Pflegekasse teilt Ihnen in der Folge in einem Bescheid ihre Entscheidung per Post mit.
- Sofern die Pflegekasse bestimmte Leistungen nicht bewilligt oder die Eingruppierung Ihrer Meinung nach falsch vorgenommen hat, können Sie Widerspruch einlegen (siehe unten).
- Andernfalls ist die Eingruppierung bindend. Sollte sich die Pflegebedürftigkeit verschlimmern, müssen Sie einen neuen Antrag stellen. Der sogenannte Höherstellungsantrag hat wiederum eine neue Prüfung zur Folge.
Der Prozess von Antragstellung bis zum Bescheid darf insgesamt nicht länger als 25 Tage dauern. Die Pflegeversicherung ist also in diesem Punkt schon von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, schnell zu sein. Denn bei Fristüberschreitung droht der Pflegekasse eine Strafzahlung von 70 Euro pro begonnener Woche.
Widerspruch gegen die Pflegestufe einlegen
Sofern die Eingruppierung in einen Pflegegrad Ihrer Meinung nach falsch vorgenommen wurde, können Sie Widerspruch einlegen. Andernfalls ist der Pflegegrad bindend. Sollte sich die Pflegebedürftigkeit verschlimmern, muss ein neuer Antrag gestellt werden (der sogenannte Höherstellungsantrag), der wiederum eine neue Prüfung zur Folge hat.
Ein Formular zum Widerspruch gegen den Pflegegrad können Sie sich hier kostenlos als Word-Dokument herunterladen:
Widerspruch gegen den Pflegegrad
Was braucht man für Pflegestufe 1 bis 5 konkret?
Was muss man für Pflegestufe eins erfüllen? Wann bekommt man Pflegegrad zwei, drei, vier oder fünf? Die Entscheidung darüber trifft der MDK nicht etwa nach Gutdünken – dafür gibt es klare Punkteverteilungen:
- 12,5 bis unter 27 Punkte: Pflegegrad 1
- 27 bis unter 47,5 Punkte: Pflegegrad 2
- 47,5 bis unter 70 Punkte: Pflegegrad 3
- 70 bis unter 90 Punkte: Pflegegrad 4
- 90 bis 100 Punkte: Pflegegrad 5
Praxistipp: So reiche ich die Rechnungen bei der AOK ein
Sobald der Pflegegrad bindend feststeht, läuft alles sehr unkompliziert: Entweder der Pflegedienst beziehungsweise das Pflegeheim rechnen ihre Leistungen direkt mit der Pflegeversicherung (AOK, Barmer, BKK oder ähnliche) ab.
Oder – sofern Sie für bestimmte Leistungen in Vorleistungen gegangen sind – Sie schicken die Rechnungen mit einem kurzem Begleitschreiben direkt an Ihre Pflegekasse. Dieser Antrag kann formlos erfolgen. Er sollte lediglich den Namen der versicherten Person, die Versichertennummer, den Grund der Leistungen sowie die Kontoverbindung enthalten.
Einteilung der alten Pflegestufen
Auch wenn umgangssprachlich bei den aktuellen Pflegegraden immer noch von den Pflegestufen gesprochen wird, ist es wichtig, diese voneinander zu unterscheiden. Zum Vergleich zu den genannten Pflegegraden seien die alten Pflegestufen angeführt, die sich folgendermaßen gestalteten:
- Pflegestufe 1
Diese Pflegestufe wurde bei erheblicher Pflegebedürftigkeit gewährt. Kriterium dafür war ein Pflegeaufwand von mehr als 90 Minuten täglich, wobei 45 Minuten auf die Grundpflege entfielen. - Pflegestufe 2
Diese Pflegestufe wurde bei schwerer Pflegebedürftigkeit gewährt. Kriterium dafür war ein Pflegeaufwand von mindestens 180 Minuten täglich, davon mindestens 120 Minuten für die Grundpflege. - Pflegestufe 3
Diese Pflegestufe wurde bei schwerster Pflegebedürftigkeit gewährt. Kriterium dafür war ein Pflegeaufwand von mindestens 300 Minuten täglich, davon mindestens 240 Minuten für die Grundpflege.
Die später hinzugefügte „Pflegestufe 0“ umfasste diejenigen, die sich in keine der drei Pflegestufen eingruppieren ließen. Vor allem Demenzkranke, psychisch Erkrankte und geistig behinderte Menschen hatten Pflegestufe 0. Diese Gruppe von Betroffenen besitzt meist die körperliche Fitness, um theoretisch den Alltag meistern zu können. Der Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung bezog sich vor allem auf Betreuung und Beaufsichtigung, weniger auf medizinische Pflege.
Eine weitere Ausnahme stellte die Härtegradregelung bei schwerster Pflegebedürftigkeit dar. Somit existierten im alten Pflegestufensystem quasi ebenfalls fünf verschiedene Abstufungen. In diese Kategorie fielen Patienten, die Hilfe in einem weitaus größeren Ausmaß benötigten, als in Stufe 3 definiert war.
Reform berücksichtigt tatsächliche Pflegebedürftigkeit
Auch die Pflegestufe 0 und die Härtefallregelung hatten wenig daran geändert, dass die alten Pflegestufen sich nicht an tatsächlicher Pflegebedürftigkeit orientierten. Das führte zu regelrechter Fließbandarbeit der Pflegenden. Das zweite Pflegestärkungsgesetz setzt nun auf eine weniger quantitative, sondern mehr qualitative Betrachtungsweise.
Bei den Pflegegraden steht nun nicht mehr im Vordergrund, wie lange der Zeitaufwand des Pflegepersonals beträgt, sondern wie selbständig die betroffene Person noch agieren kann. Die Bewertung der Alltagskompetenz richtet sich nun neben körperlichen auch nach kognitiven und geistigen Beeinträchtigungen.
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