Wie gesund ist spazieren gehen?
Gerade in Zeiten von Corona ist die Bewegung im Freien als Grundbedürfnis des Menschen deutlich geworden. Outdoorkleidung wird derzeit nachgefragt und verkauft wie noch nie. Allerdings muss es nicht die lange Wanderung oder anstrengendes Joggen sein. Die Medizin zeigt: Selbst einfaches Spazieren ist äußerst gesund.
Das Spazieren gehen hat nahezu unendlich viele Vorteile. Der offensichtlichste ist der, dass Sie etwas erleben und durch die Bewegung an der frischen Luft eine Menge für Ihre Gesundheit und Ihre Fitness tun. Dies gilt für etliche Bereiche. Denn selbst das Spazieren in weniger anspruchsvollen Terrains bringt so viel Gutes, das Ihrem Körper und Geist in umfangreicher Weise nützt:
- Beim Spazieren verbessert sich unsere Fitness
Das Spazieren gehen stärkt unsere Muskulatur und verbessert die Körperhaltung. So kann Rückenschmerzen vorgebeugt werden. Anstrengende Bergtouren allerdings sollte man bei einem Bandscheibenvorfall nicht unternehmen. Darüber hinaus wird der Kreislauf angeregt, was gut ist, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu vermeiden. - Beim Spazieren beugen wir psychischen Erkrankungen vor
Zu dem Ergebnis gelangte eine Untersuchung amerikanischer Naturforscher. Dazu wurden zwei Testgruppen miteinander verglichen, die entweder 90 Minuten in der Stadt oder in der Natur unterwegs waren. Nachweislich war bei den Spaziergängern in der Natur der Teil des präfrontalen Cortex weniger aktiv, dem psychische Erkrankungen wie zum Beispiel die Depression zugeschrieben werden. - Beim Spazieren wird unsere Sinneswahrnehmung gefordert
Wer spaziert, nimmt seine Umwelt mit allen Sinnen wahr. Man spürt den Wind im Gesicht, hört das Rauschen der Blätter oder Vogelstimmen und reicht die Umgebung. Und der Blick kann sich in die Ferne richten. Dies ist insbesondere wichtig, wenn wir viel vor einem Bildschirm sitzen und auf kurze Distanzen schauen. - Beim Spazieren werden wir glücklicher
Spazieren trägt wie jede Form der Bewegung dazu bei, dass Glückshormone ausgeschüttet werden. Das Tageslicht regt die Produktion von Vitamin D im Körper an. Dabei ist selbst der nebligste Tag immer noch weit effektiver als die stärkste Innenbeleuchtung in Kombination mit Nahrungsergänzungsmitteln. Denn Vitamin D kann der Körper durch Tageslicht am besten selbst produzieren. Ein Vitamin-D-Mangel führt unter anderem zu Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Haarverlust. - Beim Spazieren nimmt unser Selbstwertgefühl zu
In der freien Natur lernen wir wieder stärker, uns auf unsere Sinne zu konzentrieren. Gerade bei anspruchsvolleren Waldwegen gibt es etliche Hindernisse zu überwinden. Jede gemeisterte Schwierigkeit stärkt das Selbstbewusstsein. Wir bekommen ein neues Körpergefühl, steigern das Gleichgewicht und lernen abzuschätzen, wie weit unsere Kräfte ausreichen. Dabei sollte man selbstverständlich beim Wandern und Spazieren gehen zunächst klein anfangen und nicht sofort den härtesten aller Wege wählen.
Spazieren: Bedeutung für unser Gehirn
Insbesondere im Gehirn zeigt sich, dass bei regelmäßiger Bewegung Eiweissstoffe wie BDNF, VEGF und IGF1 oder ausgeschüttet werden, die sowohl die Bildung neuer Blutgefäße im Gehirn (und somit dessen Sauerstoffversorgung) anregen als auch die Bildung frischer Nervenzellen im Hippocampus fördern. Zudem unterstützen sie die sogenannten grauen Zellen dabei, sich besser untereinander zu vernetzen.
Die Psychologin Sabine Schäfer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung hat sich in ihren Studien intensiv mit der körperlichen Bewegung beschäftigt. So ließ sie in einem dreistufigen Experiment Kinder und Erwachsene einen Gedächtnistest absolvieren.
- Beim ersten Durchgang ließ sie ihre Probanden parallel zum Lernen bei einer selbst gewählten Geschwindigkeit auf einem Laufband spazieren.
- Im zweiten Durchlauf legte Schäfer das Tempo fest.
- Im dritten Versuch mussten die Teilnehmer ihre Aufgaben komplett im Sitzen erledigen.
Dabei zeigte sich deutlich: Immer wenn die Studienteilnehmer auf dem Band liefen, lernten sie besser als im Sitzen, egal in welcher Altersgruppe. Im Vergleich der unterschiedlichen Geschwindigkeiten lässt sich festhalten, dass die Probanden in ihrem eigenen Rhythmus besser lernten als bei dem vorgegebenen Tempo.
Charles Hillman von der Universität von Illinois konnte mit seinen Untersuchungen belegen, dass schon kurze Pausen mit körperlicher Bewegung die Hirnaktivität stark anregen. Nach einer kurzen Auszeit verbesserten sich bei den Versuchsteilnehmern die Reaktionszeiten, das Konzentrationsvermögen und die Fähigkeit, schnell zwischen verschiedenen Aufgabenstellungen hin und her zu wechseln.
Welch gewaltigen Unterschied eine 20-minütige Bewegungspause im Gehirn ausmachen kann, zeigen die Hirnscans der 241 Probanden:
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen die Untersuchungen von Marily Oppezzo und Daniel L. Schwartz. In diesen verbesserten sich die kognitiven Leistungen der Probanden durch das Spazieren gehen um satte 23 Prozent.
Spazieren trainiert Konzentration und Kreativität
Damit neue Informationen aufgenommen und mit vorhandenem Wissen verknüpft werden kann, braucht das menschliche Gehirn regelmäßige Stimulation. Andernfalls nimmt die Konzentration ab und der Mensch wird vergesslich. Spazieren gehen beugt hier ebenfalls vor. Dies belegt eine amerikanische Studie um den Neurologen Kirk I. Erickson.
Über 13 Jahre wurden die körperlichen Aktivitäten mental fitter Senioren beobachtet. Üblicherweise wird die Gehirnmasse mit zunehmenden Alter geringer und es entstehen Konzentrationsschwächen, Gedächtnisprobleme oder gar Demenz. Diejenigen Senioren, die hingegen pro Woche zwischen zehn und 16 Kilometern zurücklegten, hatten sich ein wesentlich höheres Hirnvolumen bewahrt und eine geringere Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken als die inaktiven Teilnehmer.
In einer Welt, in der immer mehr Menschen überwiegend mit Medien und Technik zu tun haben, leiden kognitive Fähigkeiten. Eine Studie der amerikanischen Psychologen Ruth Ann Atchley, David L. Strayer und Paul Atchley untersuchte die Fähigkeit zur kreativen Problemlösung. Nachdem die Testpersonen vier Tage lang in der Natur unterwegs waren und vollständig auf sämtliche technische Geräte verzichten mussten, hatte ihre Problemlösungskompetenz um 50 Prozent zugenommen.
Spazieren baut Stress ab
Ständige Erreichbarkeit und Lärm können Stress verursachen. Die immer hektischer gewordenen Zeit und insbesondere mangelnde Rückzugsmöglichkeiten tragen ihr Übriges dazu bei.
Bei Stress schüttet der Körper einen üppigen Hormoncocktail aus. Das bekannteste Stresshormon ist dabei das Cortisol, das in der Nebennierenrinde produziert und in der Leber abgebaut wird. Es sorgt dafür, dass sich der Körper in Situationen, in denen erhöhte Aufmerksamkeit und Leistungsstärke benötigt wird, auf die wichtigen Funktionen fokussiert.
Wird dieses Stresshormon nun dauerhaft und vermehrt ausgeschüttet, kann sich das negativ auf Gewicht und Immunsystem auswirken sowie weitere Erkrankungen fördern. Spazieren in der Natur ist dazu geeignet, Stressfaktoren auszugleichen und gibt dem Organismus Zeit, Cortisol abzubauen.
Spazieren in der Nähe: So macht es Spaß
Warum gehen Leute spazieren? Die kurze Antwort: Weil es ihnen Spaß macht. Der Drang nach draußen ist uralt und liegt tief in unseren Genen verwurzelt.
Bertram Weisshaar, ein Spaziergangsforscher (ja, so etwas gibt es wirklich) aus Leipzig, beschreibt das Spazieren gehen als eine kleine Flucht aus dem Alltag. Um eine maximale Wirkung zu erzielen, empfiehlt er, sich dabei völlig auf sich zu konzentrieren. Das Handy sollte man beim Spaziergang am besten ausschalten oder gleich ganz zuhause lassen.
Aber nicht jeder ist immer motiviert, um regelmäßig spazieren zu gehen. Einige Tipps, die Sie daher – gerade bei schlechtem Wetter – dazu bewegen können, Freude am Spaziergang zu entwickeln:
- Integrieren Sie das Spazieren in den Alltag
Wenn Sie zum Beispiel Ihr Auto 500 Meter vom eigentlichen Ziel parken oder zwei Haltestellen früher aussteigen, können Sie ohne viel Aufwand einen kleinen Spaziergang in den Alltag integrieren. Spezielle Schrittzählerapps können Ihnen dabei helfen, die Motivation zu erhöhen, in dem Sie sich dort das Ziel setzen, jeden Tag 10.000 Schritte gehen zu wollen. - Wechseln Sie die Wege ab
Ein Spaziergang auf der immer gleichen Strecke kann zur langweiligen Routine werden. Gehen Sie lieber unbekanntere Wege und entdecken so die Umgebung in Ihrer Nähe neu. - Variieren Sie die Art des Spaziergangs
Nicht nur bei dem Wegen können Sie für Abwechslung sorgen. So können Sie zum Beispiel einmal ein Springseil mitnehmen und sich zwischendurch leicht hopsend fortbewegen. Oder Sie genießen den Spaziergang nebenbei mit einem spannenden Hörbuch oder Podcast. Sie können sich sogar ein kleines Picknick zusammenpacken und an einem schönen Ort eine Vesperpause einlegen. - Besinnen Sie sich auf sich
Bei einem Spaziergang können Sie sich prima auf Ihre eigenen Gedanken und Bedürfnisse fixieren. Vielen führen sogar leise Selbstgespräche. Sie können Sie durch einfaches Spazieren Lösungen für Probleme oder neue Ideen finden.
Wichtig ist die Herangehensweise an einen Spaziergang. Er sollte kein lästiges Übel sein, sondern eine Auszeit, die Ihre Stimmung hebt und Sie Neues entdecken lässt. In der Umgebung und in Ihnen selbst.
Wie lange sollten Sie spazieren?
Aber wie lange sollte ein Mensch spazieren? Die amerikanischen Wissenschaftlerinnen MaryCarol R. Hunter, Brenda W. Gillespie und Sophie Yu-Pu Chen gingen in ihrer Studie dieser Frage aus Sicht der Stressreduktion und der Steigerung des Immunsystems nach.
Eine effektive Senkung des Cortisolspiegels im Körper lässt sich demnach bereits nach 20 bis 30 Minuten nachweisen, in denen Sie sich an der frischen Luft aufhalten. Die Studie ergab zudem, dass zwar längere Aufenthalte zu einem weiteren Abbau des Stresshormons beitragen. Jedoch nicht so stark wie in den ersten 20 Minuten. Ein weiteres Ergebnis war, dass nicht nur die Bewegung, sondern auch das Grün der Natur förderlich für die Gesundheit sind.
Weitere Studien belegen diese Feststellung. Menschen, die schnelleren Zugang zur Natur haben, besitzen eine höhere Zahl an natürlichen Killerzellen in ihrem Blut. Diese sind wichtig im Kampf gegen Krankheitserreger wie zum Beispiel Corona-Viren. Zudem leiden sie seltener an Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Länger spazieren geht natürlich immer. Und wer weiß: Wenn Sie sich treiben lassen, wird ein Spaziergang zur Wanderung, ohne dass Sie es merken. Die Grenzen zwischen ausführlichem Spazieren gehen und einer kleineren Wanderung können durchaus fließend und individuell unterschiedlich sein.
Mit Spazieren Kalorien verbrennen?
Beim jeder Art von körperlicher Ertüchtigung – selbst beim Spazieren gehen – werden Kalorien verbrannt. Aber wieviel Kalorien verbrennt man bei fünf Kilometer Gehen?
Die genaue Zahl hängt von Ihrem Tempo, sowie Ihrer körperlichen Konstitution und Fitness ab. Pauschal lässt sich sagen: Auf einem Spaziergang verbrennen Sie je nach „Schweregrad“ zwischen 400 und 700 Kalorien pro Stunde. Eine gut dreistündige Wanderung in den Bergen kann schon mal bis zu 1700 Kalorien weniger bedeuten. Allerdings darf diese je nach Alter selbstverständlich gerne moderater ausfallen.
Tägliches Spazieren ist daher nicht unbedingt ein schneller Schlankmacher, es trägt allerdings entscheidend dazu bei, Ihre Figur zu halten.
Woher kommt das Spazieren?
Im Gegensatz zum Wandern oder zum Nordic Walking hat das Spazieren (Englisch: Walk) für viele etwas Gemütliches.
Der Begriff stammt aus dem 15. Jahrhundert. Er leitet sich aus dem Italienischen ab: Hier bedeutet „spaziare“ soviel wie „sich räumlich ausbreiten“. Auf Spanisch lautet die Übersetzung „caminar“, also „sich auf den Weg machen“.
Spazieren in der Philosophie: Das Denken geht spazieren
Schon immer haben Philosophen und Denker die Weite der Natur gesucht, um ihren Geist frei zu bekommen und damit zu beflügeln. Friedrich Nietzsche galt beispielsweise als ausdauernder Spaziergänger, der die grandiose Kulisse des Engadins regelmäßig für seine Sommeraufenthalte besuchte und prompt darauf seinem Zarathustra folgende Worte in den Mund legte: „Ich liebe den Wald. In den Städten ist schlecht zu leben.“
Der begeisterte Spaziergänger und Dichter Johann Gottfried Seume stimmte mit ein, als er von einem Spaziergang nach Syrakus heimkehrte: „Wer geht, sieht im Durchschnitt anthropologisch und kosmisch mehr, als wer fährt.“
Theodor W. Adorno wiederum verbrachte die Ferien mit seiner Frau im Fex-Tal, von wo aus er Ausflüge zu der Halbinsel Chasté, dem direkt am Silser See gelegenen Weiler Isola oder auf die Laret-Höhe unternahm. Adorno kommentierte seine Erfahrungen wie folgt: „Aus der Höhe nehmen die Dörfer sich aus, als wären sie von oben mit leichten Fingern hingesetzt, beweglich und ohne Fundament.“
Weitere berühmte und kreative Spaziergänger:
- Charles Dickens
Der Schriftsteller spazierte jeden Nachmittag bis zu drei Stunden an der frischen Luft. - Ludwig van Beethoven
Immer nach dem Mittagessen unternahm der Komponist einen längeren Spaziergang, zu dem er stets Papier und Stift mitnahm. - Sören Kierkegaard
Der Philosoph kehrte von seinen Spaziergängen meist so glücklich zurück, dass er sich unmittelbar im Anschluss, teilweise sogar noch mit Hut, Spazierstock und Regenschirm, an den Schreibtisch setzte und seine Gedanken sofort niederschrieb.
Wenn wir spazieren, geht also auch unser Geist auf Wanderschaft. Der Horizont öffnet sich, lernt und entdeckt.
Bereits der Philosoph Michel de Montaigne erkannte: „Mein Geist geht nicht voran, wenn ihn nicht meine Beine in Bewegung setzen.“
Der Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau formulierte es hingegen so: „Im Wandern liegt etwas meine Gedanken Anfeuerndes und Belebendes, mein Körper muss in Bewegung sein, wenn es mein Geist sein soll.“
Worauf warten Sie also noch? Gehen Sie einfach öfter spazieren – zum Beispiel jetzt. Und sei es nur eine Runde mit dem Hund in den Park in der Nähe…
Was andere Leser noch gelesen haben
- Sport Ü60: So bleiben Sie bis ins hohe Alter fit
- Ernährung: So geht gesundes Essen
- Winterblues: Symptome, Therapie, Test
- Vorsätze einhalten: Tipps wie Sie Ihre Ziele erreichen
- Krafttraining im Alter: Bringen Sie sich in Form
- Lebensfreude: Das Alter genießen