Was ist Tinnitus?
Wenn es auf einem oder gar beiden Ohren pfeift oder rauscht, obwohl um Sie herum Stille herrscht, spricht man von Ohrgeräuschen, dem sogenannten Tinnitus. Je nach Lautstärke kommen manche Betroffene recht gut damit zurecht, andere leiden tagtäglich. Denn ein Tinnitus kann lange bleiben – häufig sogar für immer.
Für die Ohrgeräusche gibt es oftmals keinen erkennbaren Grund – der Gehörgang ist gesund. In diesen Fällen spricht man vom subjektiven Tinnitus. Dabei sind in irgendeiner Form die Nervenbahnen zwischen Ohren und Gehirn gestört. Wie genau diese Störung entsteht, daran forschen die Wissenschaftler noch.
Neben dem subjektiven Tinnitus gibt es – deutlich seltener – auch den objektiven Tinnitus. Hier kann es etwa durch Verstopfungen der Gefäße oder Muskelzuckungen im Mittel- beziehungsweise Innenohr tatsächlich zu messbaren Pulsierungen kommen, die dann akustisch wahrgenommen werden. Auch aufgrund von Blutarmut kommt es häufig zu objektivem Tinnitus.
Die Ursachen für einen Tinnitus können dabei vielseitig sein:
- Hörsturz
- Große Lärmbelastung (sogenanntes Knalltrauma)
- Fremdkörper, die sich im Ohr befinden
- Schwerhörigkeit
- Mittelohrentzündung oder Erkältungen
- Verletzung des Trommelfells oder des Innenohres
- Druckveränderungen beispielsweise durch Flüge oder Tauchgänge
- Gefäßverstopfung durch Bluthochdruck, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Hormonumstellungen durch Wechseljahre oder die Anti-Baby-Pille
- Nervenerkrankungen wie Multiple Sklerose
- Bildung von Tumoren in Gehirn oder Gehörgang
- Blockaden und Verspannungen in der Halswirbelsäule oder dem Kiefer
- Alkoholmissbrauch oder Nebenwirkungen bestimmter Medikamente
- Psychische Belastungen wie zum Beispiel Stress
Behandlung von Tinnitus
Wer Ohrgeräusche wahrnimmt, sollte damit nicht lange warten oder darauf hoffen, dass sie vergehen. Wenn sie nach zwei oder drei Tagen noch nicht verschwunden sind, dann sollten Sie damit einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO-Arzt) aufsuchen. Dieser wird mit Ihnen ausführlich besprechen, welchen Stress- und Lärmbelastungen Sie zuletzt ausgesetzt waren, Ihren Blutdruck messen und einige Hörtests mit Ihnen durchführen. Außerdem wird er Ihren Gehörgang auf Entzündungen untersuchen und dabei Ihr Ohr gründlich von Ohrschmalzpfropfen reinigen.
Liegt eine Erkältung oder eine Ohrentzündung zu Grunde, wird diese entsprechend behandelt. Dies kann mittels Antibiotika geschehen, aber auch durch Infusionen, Wärmebehandlungen, Kortison oder auch manuelle Physiotherapie, wenn die Ursache im Bewegungsapparat liegt. Unter Umständen sind die Ohrgeräusche dann nach kurzer Zeit oder auch nach einigen Wochen wieder verschwunden. Bis zu einer Dauer von drei Monaten spricht man von einem akuten Tinnitus.
Oftmals bleiben die Ohrgeräusche aber deutlich länger und scheinen sich mit der Zeit sogar noch zu verstärken. In diesem Fällen liegt ein chronischer Tinnitus vor. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, die ausprobiert werden können, eine sichere Therapie gibt es aber augenblicklich noch nicht. Dennoch haben einige Patienten schon Erleichterungen durch folgende Behandlungen verspürt:
- Entspannungsübungen
Auch wenn Stress in vielen Fällen nicht die einzige Ursache für den Tinnitus ist, so verstärkt er diesen doch häufig. Und je lauter die Ohrgeräusche wahrgenommen werden, umso höher wiederum der Stresspegel. Entspannungsmethoden wie Yoga, autogenes Training, Meditation oder progressive Muskelentspannung nach Jacobsen können diesen Teufelskreis durchbrechen. - Wahrnehmungsübungen
Je mehr die Betroffenen ihrem Tinnitus zuhören und je größer ihre Aufmerksamkeit darauf ist, umso deutlicher nehmen sie diesen auch wahr. Gerade bei Stille belastet dies viele Patienten. Mit verschiedenen Übungen geht es nun darum, sich gewissermaßen davon abzulenken, also seine Wahrnehmung auf andere Gedanken zu richten und so zu lernen, den Tinnitus gewissermaßen zu überhören. - Sauerstofftherapie
Bei der sogenannten hyperbaren Sauerstofftherapie sitzt der Betroffene in einer Überdruckkammer und bekommt über eine Atemmaske reinen Sauerstoff verabreicht. Sinn ist es, das Gewebe und somit auch das Innenohr mit diesem Sauerstoff quasi überzuversorgen, um die Beschwerden zu mildern. Diese Behandlung wird einige Male binnen mehrer Wochen durchgeführt. Zwar haben manche Patienten im Anschluss schon von deutlichen Besserungen berichtet, eine wissenschaftliche Nachweisbarkeit wurde allerdings noch nicht erbracht. - Hörgeräte
Ist eine beginnende Schwerhörigkeit der Auslöser für den Tinnitus, können reguläre Hörgeräte Abhilfe schaffen. Aber auch in anderen Fällen gibt es spezielle Hörgeräte, welche die Geräusche quasi maskieren, also überdecken. Sie senden akustische Signale auf der entsprechenden Frequenz ins Ohr, so dass der Tinnitus nicht mehr wahrgenommen wird. So verlernt das Gehirn, diesen zu hören. Ähnliche Versuche gibt es auch für leichtere Fälle in Form von Apps, die diese Geräusche über die Kopfhörer ans Ohr senden.
Tipps gegen Tinnitus
Wer an chronischem Tinnitus leidet, muss sich auf kurz oder lang damit arrangieren. Je früher Ihnen dies gelingt, umso nachhaltiger wird dies sein. Dabei können einige wertvolle Tipps helfen:
- Meiden Sie die komplette Stille. Spielen Sie zum Einschlafen beispielsweise sanfte leise Entspannungsmusik oder Naturgeräusche ab.
- Vermeiden Sie Stress. Reduzieren Sie Terminhatz und Zeitdruck und bauen Sie öfters Entspannungspausen ein.
- Lernen Sie Entspannungsmethoden, die Ihnen dabei helfen, gelassener zu bleiben.
- Schulen Sie Ihre Wahrnehmung. Hören Sie bewusst auf andere Geräusche und konzentrieren sich auf andere Gedanken. Psychotherapeuten können dabei helfen.
- Meiden Sie Lärmbelastung. Auch kurzzeitige: Hat Ihr Nachbar wieder einmal die neue, nervige Kettensäge für sich als Spielzeug entdeckt, so schließen Sie das Fenster. Halten Sie sich kurz die Ohren zu, wenn ein testosterongesteuerter Motorradfahrer einen Kavalierstart an der Ampel hinlegt oder ein Rettungswagen mit Martinshorn an Ihnen vorbei fährt.
Einteilung von Tinnitus
Tinnitus ist nicht gleich Tinnitus. Es gibt verschiedene Abstufungen – je nach Ausmaß. Diese können sich – auch verursacht von unserem Verhalten – mit der Zeit nach oben oder unten verändern. Die genaue Einteilung der Belastung gliedert sich in vier Grade:
- Bei Grad eins hören die Betroffenen die Ohrgeräusche nur kurz bei völliger Stille, können dies aber schnell kompensieren und lassen sich davon nicht stören.
- Im zweiten Grad nehmen die Betroffenen die Ohrgeräusche unter Stress und Belastungen als stärker und störend wahr, blenden diese aber nach und nach wieder aus.
- Grad drei bezeichnet bereits eine erhebliche Belastung. Die Ohrgeräusche lassen sich einfach ausblenden, die Patienten verspannen und leiden unter Schlafstörungen. Auch die Konzentration fällt schwer.
- Im vierten Grad sind die Patienten erheblich vom Tinnitus belastet. Die Geräusche werden als so laut wahrgenommen, dass sie starke Kopfschmerzen und massive Ängste auslösen können – bis hin zu einer Depression. Ein normales Leben ist für viele kaum mehr möglich.
Leben mit Tinnitus
Für viele Menschen ist der Tinnitus etwas, was sie über viele Jahre oder gar für ihr restliches Leben begleitet. Dies mag bis zu einem gewissen Grad noch gut funktionieren, doch manche erleiden durch einen Tinnitus massive psychische Einschränkungen.
Dennoch ist Rückzug hier die falsche Reaktion. Auch mit einem Tinnitus Grad vier lässt sich leben – wenn auch zugegebenermaßen sehr mühsam. Hier braucht es Geduld und Zeit, daran zu arbeiten. Dies funktioniert nicht ohne fremde Hilfe. Ein Psychiater kann dabei eine wertvolle Unterstützung sein, um Wege zu finden, den Tinnitus zurück zu drängen.
So schwer es fällt: Es gilt, weder zu resignieren, noch verzweifelt dagegen anzukämpfen, sondern den Tinnitus als einen Begleiter zu akzeptieren. Doch diese Veränderung des Mindset benötigt Zeit und Geduld.
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Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und informiert Sie nur allgemein. Er kann und soll eine medizinisch-ärztliche Beratung nicht ersetzen. Vor der Einnahme eines Medikamentes lesen Sie bitte die Packungsbeilage sorgfältig durch und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.