Umarmung: Balsam für Körper und Seele

Eine Umarmung ist mehr als nur eine Begrüßung. Wir drücken die andere Person liebevoll an uns, kuscheln uns bedürftig an oder hauchen noch ein paar Küsschen auf die Wange. Wie wichtig diese Form der sozialen Interaktion ist, ließ sich in der Corona-Pandemie feststellen: Plötzlich umarmten sich Menschen nicht mehr, aus Angst vor einer Corona Infektion durch Umarmung. Ein Albtraum für viele ältere Menschen, deren soziale Kontakte ohnehin oft eingeschränkt sind. Wir erläutern, warum Menschen sich umarmen, welche Arten von Umarmung es gibt und wieso sie so wichtig sind…

Umarmung: Balsam für Körper und Seele

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Bedeutung: Was ist eine Umarmung?

Für eine Umarmung tritt ein Mensch in Körperkontakt mit einer anderen Person. Dafür schlingt er beide Arme um den Hals oder Rücken des anderen und drückt ihn (kurz) an sich. So zum Beispiel als nonverbaler Teil der Begrüßung. Wie lange eine Umarmung dauert, hängt davon ab, zu welchem Zweck sie geschieht und wie nahe sich die Umarmenden stehen. Normalerweise hat jeder Mensch eine persönliche Distanzzone. Umarmungen gehen über diese hinaus und sind zulässig, wenn sich die Menschen kennen oder sympathisch finden.

Die Bedeutung von Umarmungen ist essentiell. Sie sind Teil verschiedener Berührungen und dienen der Emotionsregulierung. So umarmen Eltern ihre Kinder, Großeltern ihre Enkel, Freunde und Liebende einander – aus völlig unterschiedlichen Gründen. Beispielsweise spenden Umarmungen Trost in Trauer oder Angst und drücken Mitfreuen bei glücklichen Erlebnissen aus. Und Umarmungen sind natürlich Ausdruck von Zärtlichkeit zwischen Paaren und Verliebten.

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Umarmungen stärken Körper und Seele

Hierzulande sind Umarmungen bei der Begrüßung noch nicht so üblich wie etwa in Südamerika. Die Corona-Pandemie verstärkte noch dazu die Distanz selbst zu engsten Vertrauten und Familienmitgliedern. Mit fatalen Folgen: Besonders in Altenheimen vereinsamten ältere Menschen. Dabei ist längst bekannt, wie wichtig Berührungen sind – und damit auch herzliche Umarmungen. Schließen wir einen anderen Menschen in unsere Arme, schüttet der Körper das Kuschelhormon Oxytocin aus. Das hat einige tolle Nebeneffekte:

  • Es stärkt unsere Beziehung zum anderen.
  • Unser Körper schüttet Glückshormone (Endorphine) aus.
  • Der Stress lässt nach.
  • Atmung und Herzschlag beruhigen sich.

Mit anderen Worten: Umarmungen sind Balsam für Körper und Seele und daher unverzichtbar. Eine niederländische Studie konnte zudem verschiedene weitere Erkenntnisse gewinnen. So ist der Effekt von Umarmungen auch abhängig von der Persönlichkeit und dem Beziehungsstatus:

  • Menschen mit stärkerer Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals Neurotizismus tendieren zu Angst, Trauer und Wut und nehmen seltener andere in den Arm.
  • Paare erleben kaum gesteigerte Lebenszufriedenheit durch freundschaftliche Umarmungen.
  • Singles hingegen weisen ein deutlich höheres Wohlbefinden auf.

Körperliche Nähe ist lebensnotwendig

Wie wichtig körperliche Nähe für die Gesundheit des Menschen ist, lässt sich vielfach belegen. Etliche – aus heutiger Sicht fragwürdige – Experimente weisen darauf hin. Zu den bekanntesten zählt der Versuch des Stauferkönigs Friedrich des II. im 13. Jahrhundert. Auf der Suche nach der Ursprache der Menschen wies er Ammen an, bestimmte Kinder zu isolieren. Sie durften diese Kinder stillen, baden und wickeln. Berührungen jedoch oder mit den Kindern zu sprechen, war ihnen untersagt. Den Quellen zufolge fand Friedrich nicht nur keine Ursprache, sondern die Kinder starben an mangelnder Zuwendung.

Neuere Versuche zu Beginn des 20. Jahrhunderts legen den Schluss nahe, dass es bei Kindern zu Entwicklungsverzögerungen kommt, wenn sie nicht genügend Zuwendung erhalten. Dafür spricht auch eine relativ junge Methode, die erfolgreich bei der Frühgeborenenversorgung angewandt wird, das sogenannte Kangarooing. Dabei bindet man frühgeborene Säuglinge direkt an den Körper der Mutter oder des Vaters, auf die nackte Haut. Wie beim australischen Beuteltier, wonach diese Methode benannt ist, haben die frühgeborenen Säuglinge direkten Hautkontakt mit ihren Eltern. Das ersetzt nicht nur (zumindest zeitweilig) den Brutkasten, sondern hat zahlreiche positive Auswirkungen. Die Überlebenschancen der Kinder steigen deutlich, die Eltern-Kind-Bindung nimmt zu und sie kommen besser mit Schmerzen zurecht.


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Die perfekte Umarmung: So sollte sie sein

Die Wirkung von Umarmungen lässt sich nicht nur psychisch, sondern auch physisch belegen. Eine Studie der American Psychosomatic Society kommt zu dem Ergebnis, dass eine 20-sekündige Umarmung den Herzschlag und den Blutdruck senken. Die ganzen positiven Effekte des Umarmens funktionieren natürlich nur, wenn das Gegenüber sich dabei wohlfühlt. Dazu trägt auch die richtige Dosierung beziehungsweise Ausführung bei.

Eine Studie der Universität London konnte zeigen, dass beispielsweise drei Sekunden als zu kurz empfunden werden. Die meisten Probanden fanden fünf und auch noch zehn Sekunden angenehm. Idealerweise sollte die Umarmung außerdem mit mittlerem Druck ausgeführt werden. Mindestens ebenso wichtig wie das Umfassen einer anderen Person ist aber die Nähe zu seinen Lieben.

Was können Alleinstehende tun?

Alleinstehende und Singles haben das Problem, dass oft keine nahestehende Person da ist, um zu umarmen. Derselbe Effekt gelingt aber sogar, wenn wir selbst die Arme um uns schlingen. Dazu einfach beide Arme und Hände vor der Brust kreuzen oder aber eine Hand auf die Mitte der und die andere mittig auf den Bauch legen.

Dann schüttet der Körper Oxytocin aus. Es ist ähnlich wie beim Lächeln – auch da macht unser Körper keinen Unterschied, ob wir tatsächlich aus innerer Freude heraus lächeln oder einfach „mechanisch“ die Mundwinkel nach oben ziehen. Die Signale an das Gehirn sind dieselben, daher laufen in Folge die gleichen chemischen Prozesse ab. Fazit: Anschließend sind Sie glücklich.

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Arten der Umarmung: Ist es Liebe?

Die meisten Menschen wählen beim Umarmen die rechte Seite. Dabei geht die rechte Hand über die linke Schulter des Gegenübers. Die Richtung des Arms und der Hand geben vor, auf welcher Seite zwei Menschen sich umarmen, weiß der Neurowissenschaftler Julian Packheiser.

Das Interessante: In Studien mit Forscherkollegen konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass in schlechter oder guter Stimmung meist das linksseitige Umarmen dominiert, anders als bei neutraler Stimmung. Die Erklärung dafür liegt in der rechten Gehirnhälfte. Diese verarbeitet Emotionen, ist aber ebenso für die Motorik der linken Körperhälfte zuständig. Wie die Umarmung ausfällt, hängt auch von der Art ab:

Innige Umarmung

Menschen, die sich nahestehen, wählen diese Art des Umarmens. Das trifft typischerweise auf Familienmitglieder, den Freundeskreis oder den eigenen Partner zu. Dabei schlingen die sich Umarmenden beide Arme um den anderen, es besteht enger Körperkontakt zum Oberkörper des anderen, die Köpfe sinken zur Schulter des anderen. Solche Umarmungen zeichnen sich durch längere Dauer und stärkere Intensität beim Drücken aus. Sie können anlassbezogen oder einfach nur so stattfinden. In diesen Momenten empfinden die Personen Vertrauen und Sicherheit. Solche Umarmungen sind auch öffentlich zu beobachten, vor oder nach langen Trennungen, etwa durch weite Entfernung oder Reise.

Spontane Umarmung

Wer kennt das nicht: Die Prüfung bestanden, das erste Enkelkind auf der Welt – es gibt Situationen, in denen wir von unseren Gefühlen geradezu übermannt werden. Und dann spontan die ganze Welt umarmen wollen. Die spontane Umarmung basiert immer auf einer heftigen Gefühlsregung, die auch durch Trauer hervorgerufen werden kann. Obwohl sie überraschend kommt, ist das spontane Umarmen dem innigen sehr ähnlich, da es ähnlich intensiv sein kann. Gleichzeitig fällt sie deutlich kürzer aus.

Freundschaftliche Umarmung

Ist der Kontakt zum anderen nicht ganz so eng, aber auch bei Zeitdruck, fällt das Umarmen etwas oberflächlicher aus. Typischerweise drückt man den Freund oder guten Bekannten nur kurz an sich. Die Oberkörper haben nur wenige Sekunden Körperkontakt – etwa zur Begrüßung oder beim Abschied. Männer tendieren alternativ auch zum freundschaftlichen Schulterklopfen oder einer halben Umarmung, wenn sie das Gegenüber noch nicht so gut kennen.

Tröstende Umarmung

Aus Trost umarmen wir, wenn die andere Person trauert. Sei es beim Verlust einer geliebten Person, im Falle einer Trennung oder einer ungünstigen Krankheitsprognose. Auch kleine Kinder werden zum Trost umarmt, wenn ein Spielzeug zerbrochen ist oder sich das Kind beim Hinfallen das Knie aufgeschlagen hat. Selbst bei Niederlagen im Sport – etwa einem verlorenen Spiel – trösten sich die Mannschaftsmitglieder gegenseitig und manchmal sogar der Trainer. All das signalisiert Mitgefühl und zeigt, dass andere den Trauernden unterstützen und ihm zur Seite stehen.

Romantische Umarmung

Diese Art der Umarmung sollte selbstverständlich in einer funktionierenden Partnerschaft sein: Von Zeit zu Zeit umarmen sich die Partner zärtlich, entweder als Teil eines gesunden Liebeslebens, begleitet von Küssen und Streicheln. Oder als Ausdruck von Harmonie, wenn beide gemeinsam auf dem Sofa sitzen und Händchen halten.

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[Bildnachweis: Herbstlust.de]

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