Hausarztmodell: Vorteile, Nachteile, Antrag, Kündigung

Was zunächst nur einige private Krankenversicherungen eingeführt haben, gibt es seit einigen Jahren auch bei gesetzlichen Krankenkassen: das Hausarztmodell. Wie der Name schon andeutet, kommt dabei dem Hausarzt eine zentrale Bedeutung zu. Die Patienten gehen zunächst zu ihm und werden je nach Bedarf zu einem Spezialisten überwiesen. Dabei lässt sich einiges sparen. Wie das funktioniert, für wen sich das Ganze lohnt, wie Sie wieder kündigen können sowie die Vorteile und Nachteile – all das erfahren Sie hier.

Hausarztmodell: Vorteile, Nachteile, Antrag, Kündigung

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Wie funktioniert das Hausarztmodell

Grundsätzlich gibt es in Deutschland die freie Arztwahl. Dies bedeutet, dass sich ein Patient seinen Arzt frei auswählen und auch eine Zweit- oder Drittmeinung einholen darf. Dabei kann er sowohl zu einem Allgemeinmediziner gehen, als auch einen Spezialisten aufsuchen. Allerdings sind die Kosten für einen spezialisierten Arzt in der Regel deutlich höher. Da in Deutschland eine Krankenversicherungspflicht herrscht, merkt der Patient von diesen Kosten allerdings nichts. Wohl aber die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen.

Aus diesem Grund fingen in den 90er-Jahren einige private Krankenversicherungsunternehmen damit an, spezielle und vergünstigte Tarife anzubieten, wenn ein Versicherter zunächst einen Allgemeinmediziner aufsucht – auch als Hausarzt bekannt. Dieser untersucht dann den Patienten und erst, wenn die erforderliche Therapie seine medizinischen Möglichkeiten übersteigt, überweist er ihn zu einem Spezialisten.

Seit 2004 müssen nun auch gesetzliche Krankenkassen das Hausarztmodell anbieten. Also TK, AOK, Barmer, DAK und co. Wer sich dazu entscheidet, verpflichtet sich für mindestens ein Jahr, bei einer Erkrankung (mit Ausnahme eines Notfalls) immer zuerst den Hausarzt aufzusuchen.

Bin ich automatisch im Hausarztmodell versichert?

Als Versicherter sind Sie zunächst einmal nicht automatisch im Hausarztmodell integriert. Für die Krankenkassen ist es zwar verpflichtend, ein Hausarztmodell anzubieten – egal ob es sich um die TK, die Barmer oder andere Kassen handelt. Für Sie ist die Teilnahme daran jedoch freiwillig.

Beim Hausarztmodell entscheiden Sie sich bewusst für einen bestimmten Allgemeinmediziner oder Internisten, der in den Behandlungen quasi „den Hut auf hat“. Er ist der Experte, der umfangreiche Untersuchungen durchführt soweit es ihm möglich ist und nur im Notfall eine Überweisung vornimmt. Dennoch behält er als zentrale Stelle stets den Überblick über die Behandlung und die Fortschritte der Genesung.

Damit kommt ihm wieder die Bedeutung zu, die er traditionell lange Zeit ohnehin inne hatte. Erst mit der Einführung der Chipkarte im Jahr 1992 ging diese verloren. Denn seither können Patienten problemloser von Arzt zu Arzt wechseln. Mit dem Hausarztmodell ist er aber wieder der Lotse und die Vertrauensperson in der Gesundheitsversorgung.

Darum wurde das Hausarztmodell eingeführt

Hintergrund ist die Tatsache, dass insbesondere im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein Allgemeinmediziner schon enorm viel leisten kann. Von Patienten wurden jedoch in den letzten Jahrzehnten zunehmend Kardiologen aufgesucht. Das Hausarztmodell wurde insbesondere von jüngeren Versicherten gut angenommen, was vor allem auch an den deutlich billigeren Beiträgen lag.

Da die Krankenkassen nur bedingt mit den monatlichen Beitragssätzen variieren können, bieten Sie den Versicherten zudem andere Vorteile an:

  • Rückerstattung eines Teil der Beiträge
  • Prämien- und Bonuszahlungen
  • Befreiung von Zuzahlungen für Medikamente und Untersuchungen

Dies erleichtert auch den Austausch zwischen den einbezogenen Ärzten und vermeidet eventuelle Doppeluntersuchungen. Zudem ist es durch dieses Modell möglich, die Wartezeiten bei den Spezialisten zu reduzieren.

Ausnahmen bilden neben den Notfällen auch Zahn-, Augen- und Frauenärzte, die auch im Hausarztmodell weiterhin ohne Überweisung direkt aufgesucht werden können.

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Kann ich das Hausarztmodell auch kündigen?

Wenn Sie sich für das Hausarztmodell entschieden haben, haben Sie noch zwei Wochen Zeit, sich anders zu entscheiden. Innerhalb dieser Frist können Sie die Teilnahmeerklärung widerrufen. Danach sind Sie für ein Jahr ans Hausarztmodell gebunden. Eine Kündigung kann also erst frühestens nach einem Jahr erfolgen.

Wenn Sie sich entscheiden, das Hausarztmodell zu kündigen, muss dies schriftlich geschehen. Begründen müssen Sie Ihre Entscheidung nicht.

Allerdings sollten Sie rechtzeitig einen genauen Blick auf die Kündigungsfrist werfen. Diese ist in der Teilnahmeerklärung für das Hausarztmodell vermerkt. Sie finden Sie aber auch in der Satzung Ihrer Krankenversicherung. Je nach Kasse ist diese durchaus unterschiedlich und kann durchaus drei Monate betragen.

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Was passiert, wenn ich das Hausarztmodell nicht einhalte?

Wer am Hausarztmodell teilnimmt, verpflichtet sich, den Vertrag einzuhalten und immer zuerst den Hausarzt aufzusuchen.

Wenn Sie trotzdem zu einem anderen Arzt gehen, kommt es darauf an, zu welchen. Sie können problemlos innerhalb des Hausarztmodells Ihren Hausarzt wechseln.

Dies macht zum Beispiel Sinn, wenn das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist. Allerdings muss auch der neue Arzt am Hausarztmodell teilnehmen.

Kann ich im Hausarztmodell ohne Überweisung zum Facharzt?

Nicht so einfach ist es, wenn Sie einfach ohne Überweisung einen Facharzt aufsuchen. In diesem Fall können Ihnen ja nach Kasse und Teilnahmeerklärung Sanktionen drohen.

Mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren Sie Ihre finanziellen Vorteile, sofern es sich nicht um einen Notfall handelt. Schlimmstenfalls kann es Ihnen jedoch auch blühen, dass Sie die Facharztbehandlung komplett selbst zahlen müssen.

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Vorteile und Nachteile beim Hausarztmodell

Die Meinungen über Sinn und Zweck beim Hausarztmodell gehen weit auseinander. Fakt ist: Es bietet sowohl Vorteile als auch Nachteile. Diese wiegen aber in jedem Einzelfall unterschiedlich schwer.

Daher können wir Ihnen keine klare Empfehlung pro oder oder contra Hausarztmodell geben. Aber eine kleine Entscheidungshilfe.

Vorteile

Das Hausarztmodell klingt zunächst einfach und praktikabel. Und in der Tat bieten sich für alle Beteiligten eine Reihe von Vorteilen:

  • Zentrale Anlaufstelle
    Wenn der richtige Hausarzt gefunden ist, bietet sich dieser als Vertrauensperson geradezu dafür an, für seine Patienten eine zentrale Anlaufstelle zu sein. Er weiß über jeden Einzelnen bestens Bescheid. Untersuchungen und Anamnese müssen innerhalb einer bestimmten Behandlung also nicht jedes Mal aufs Neue durchgeführt werden. Mit dem Hausarzt ist eine Person vorhanden, die jederzeit den Überblick über den Therapieverlauf und die Medikation sowie die Lebenshintergründe des Patienten hat.
  • Kostenfaktor
    Dies senkt auch die Kosten: sowohl für die Versichertengemeinschaft (also die Allgemeinheit) als auch für den Versicherten. Denn die Ersparnis kann von den Krankenkassen teilweise an den Patienten weitergegeben werden. Zudem können so zusätzliche Früherkennungsuntersuchungen erstattet werden.
  • Sonderleistungen
    Wer ein Hausarztmodell wählt, ist an seinen Arzt gebunden. Im Gegenzug kann dieser seinen Patienten entgegenkommen. Zum Beispiel in dem er für diesen spezielle Sprechstunden am Abend oder Morgen anbietet oder die Wartezeiten deutlich verkürzt. Hausärzte, die an diesem Modell teilnehmen, bieten zudem häufig bessere und ausführlichere Beratungsleistungen an, da sie oftmals speziell daraufhin geschult sind. Gerade für ältere oder chronisch kranke Patienten ist dies ein enormer Mehrwert.

Nachteile

Doch so schön das Hausarztmodell auch klingen mag – es hat nicht nur Vorteile. Denn es eignet sich nicht automatisch für jeden Versicherten. Daher sollten Sie sich genau überlegen, bevor Sie sich für einen solchen Tarif entscheiden und sich diesbezüglich mindestens für ein Jahr binden. Die Nachteile sind im Einzelnen:

  • Mangelnde Flexibilität
    Wer oft verreist, hat ein Problem mit dem Hausarztmodell. Was ist, wenn unterwegs eine Untersuchung notwendig ist, die nicht als Notfall gilt? Der Patient muss sich dann vor Ort nach einem Allgemeinmediziner umsehen, der ebenfalls am Hausarztmodell teilnimmt. Dieser kann aber nach der Abreise nicht weiterhin als Lotse fungieren – das ganze Modell wird in diesem Fall ad absurdum geführt. Gleiches gilt bei einem Umzug oder wenn Ihr Hausarzt selbst im Urlaub ist. Dann sind Sie auf Gedeih und Verderb an seine Vertretung gebunden, auch wenn Sie dieser nicht vertrauen.
  • Aushebelung der freien Arztwahl
    Durch das Hausarztmodell sind Sie an Ihren Arzt mehr oder weniger gebunden. Sie können sich nicht so ohne weiteres eine zweite Meinung von einem Mediziner einholen, der zwar fachlich deutlich besser Bescheid weiß, jedoch als Spezialist nicht am Hausarztmodell teilnimmt. Um die Vorteile dieses Tarifs weiterhin in Anspruch nehmen zu können, benötigen Sie erst eine Überweisung, was zusätzlichen Umstand, Zeitaufwand und Diskussionen bedeutet.

Für wen lohnt sich das Hausarztmodell?

Wer ohnehin den Hausarzt seines Vertrauens gefunden hat, für den kann sich das Hausarztmodell schon durchaus lohnen. Die AOK hat bereits im Jahr 2013 in einer Studie festgestellt, dass die Patienten, die sich für dieses Modell entschieden haben, intensiver behandelt und untersucht wurden. So konnten langfristig etliche Krankenhausaufenthalte vermieden werden. Insofern lohnt sich das Hausarztmodell insbesondere für ältere Patienten, die häufig zum Arzt gehen müssen sowie für chronisch Erkrankte.

Aber auch für die Krankenkassen und somit für die Versichertengemeinschaft lohnt sich das Modell: Wer in einem Hausarztmodell versichert ist, verursacht im Schnitt über zwanzig Prozent weniger Kosten – und das trotz durchschnittlich drei Arztkontakten mehr im Jahr.

Was bedeutet das Modell für den Hausarzt?

Für den teilnehmenden Hausarzt kann sich das Modell ebenfalls lohnen. Er hat einen besseren Überblick haben und kann daher einfacher planen. So hat er auch einen geringeren Aufwand für Bürokratie und können sich intensiver um ihre Patienten kümmern. Außerdem bekommen die Hausärzte für die intensivere Beratung mehr Geld.

Im Gegenzug müssen sich die Mediziner allerdings dazu verpflichten, an regelmäßig stattfindenden Weiterbildungen teilzunehmen, wenn sie beim Hausarztmodell mitmachen möchten. Dies beinhaltet neben fachlichen und kommunikativen Themen auch abrechnungstechnische. Zudem müssen sie ihre IT in der Praxis entsprechend umstellen. Dieser Aufwand ist zwar einmalig, muss aber dennoch erledigt werden und bedeutet zudem einen finanziellen Mehraufwand.

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[Bildnachweis: Olena Yakobchuk by Shutterstock.com]

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