Bis 70 arbeiten: Geht das überhaupt?

Die einen können die Rente kaum erwarten, die anderen wollen (oder müssen) bis 70 arbeiten. Aber wie lange darf ich im Alter noch arbeiten wenn ich möchte? Denn demographische Entwicklungen machen es einerseits immer notwendiger, dass wir länger arbeiten. Zumindest, wenn wir einen gewissen Lebensstandard aufrecht erhalten wollen. Auf der anderen Seite Seite stellt sich die Frage der Machbarkeit. Wir zeigen, warum bis 70 arbeiten interessant sein kann und wie es geht, wenn es erforderlich ist…

Bis 70 arbeiten: Geht das überhaupt?

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Darf man bis 70 arbeiten?

Kann man bis 70 arbeiten – diese Frage stellen sich ältere Arbeitnehmer immer häufiger. Manche fühlen sich sogar im Alter so fit, dass sie sich überlegen, ob man mit 80 noch arbeiten kann.

Tatsächlich ist es eher eine Ausnahme, wenn Arbeitnehmer bis 70 arbeiten. Das hängt aber nicht damit zusammen, dass es in Deutschland ein Arbeitsverbot für Rentner gäbe. Vielmehr ist es so, dass mit Erreichen der regulären Altersgrenze mitunter der Arbeitsvertrag automatisch endet. Besonders Tarif-, aber auch einige Arbeitsverträge enthalten eine Befristung auf das 65. Lebensjahr oder das reguläre Renteneintrittsalter.

Wer dennoch bis 70 arbeiten möchte (oder gar bis 80), darf dies also selbstverständlich tun – sofern sein Arbeitgeber dies mitmacht.

Bis 70 arbeiten: Beispiele aus anderen Ländern

Das automatische Ende der Erwerbsarbeit mit Beginn des Renteneintrittsalters ist nicht überall so. In Schweden können Arbeitnehmer zwischen einem Renteneintrittsalter von 61, 64 oder 67 Jahren wählen. Und das hat den Charme, dass die Rentenbezüge entsprechend höher ausfallen, wenn länger gearbeitet wird. Auch in Dänemark herrscht bezüglich des Arbeitsverhältnisses eine größere Flexibilität. Mit Erreichen des Rentenalters darf der Arbeitsvertrag schlichtweg nicht automatisch enden.

Sukzessive wird das Rentenalter in beiden skandinavischen Ländern angehoben. Gearbeitet wird mit einem Anreizsystem aus weiteren Rentenaufschlägen, die es attraktiv machen, länger zu arbeiten. Grundlage dieser Umgestaltung ist auch die gestiegene Lebenserwartung: Gewünscht wird ein späterer Renteneintritt, denn anderenfalls ist mit Rentenabzügen zu rechnen.

Auch muss man feststellen: Die automatische Rente betrifft Freiberufler und Selbständige ohnehin nicht. Wer sich also fit genug fühlt, kann noch weit bis 70 arbeiten.

Bis 70 arbeiten als Notwendigkeit

Wir wollen hier nicht unnötig verklären. Von den folgenden Erwägungen ausgenommen sind diejenigen Rentner, bei denen Arbeit mit 70 Jahren eine bittere Notwendigkeit ist, weil das Geld sonst vorne und hinten nicht reicht.

Schon jetzt sind knapp 300.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer 65 Jahre oder älter. Senioren, die in Minijobs arbeiten, machen eine weitere Million aus. Der Vorteil: Wer bereits Rente bezieht und über der Regelaltersgrenze ist, darf uneingeschränkt dazuverdienen.

Bis 70 arbeiten, weil gesetzliche Rente nicht reicht, ist auch in anderen Ländern ein Problem. Japan kämpft ebenfalls mit steigenden Sozialkosten und plant daher, das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre anzuheben.

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Arbeitgeber fordern Rente mit 70 ab 2030

Dass die Rentenversicherung hierzulande dringend reformiert werden müsste, wird seit Jahren diskutiert. Allein: An einschneidende Reformen traut sich niemand heran. Und so wird auch immer wieder die Frage aufgeworfen: Soll eine Rente ab 70 eingeführt werden?

Gerade Arbeitgeber fordern dies ab 2030. Denn in Zeiten des Fachkräftemangels sind sie auf die Erfahrung der älteren Arbeitnehmer angewiesen. So schnell geht es selbstverständlich nicht. Aber Pläne für eine längere Lebensarbeitszeit liegen in der Schublade. Konkret gehen die Vorschläge auf den Monatsbericht Oktober der Bundesbank zurück. Darin wird angeregt, die Erwerbsphase gemäß der gestiegenen Lebenserwartung anzupassen.

Bisher ist die Rente erst bis zum Jahr 2032 vorausberechnet. Die Bundesbank plädiert für eine schrittweise Erhöhung bis 2070. Das bedeutet, wer im Jahr 2001 geboren ist, wird dann 2070 im Alter von 69 Jahren und vier Monaten in Rente gehen.

Ist die Rente mit 70 beschlossen?

Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die Rente mit 70 beschlossen ist. Im Gegenteil: Verantwortlich ist im Endeffekt die gesetzgebende Gewalt, also der Bundestag. Nur er kann die Rente mit 70 beschließen.

Wer die langwierigen Entscheidungs- und Beratungsprozesse auf der politischen Bühne kennt, der kann sich ausrechnen, dass es bei der Rente mit 70 keinen Schnellschuss geben wird. Insbesondere, da sich die Mehrheit der Bevölkerung momentan dagegen ausspricht.

So wird die Forderung der Arbeitgeber also noch eine Weile ungehört bleiben.

Welche Partei will die Rente mit 70?

Dennoch gibt es in fast jeder Partei Stimmen, die eine Erhöhung des Renteneintrittsalters als Lösung für etwaige Löcher in der Rentenkasse fordern.

Diese sind zwar (noch) in der Minderheit, finden sich jedoch insbesondere in der CDU wieder. Einzelne Abgeordnete der FDP und auch der Grünen fordern zumindest eine flexiblere Lösung, während sich SPD und Linkspartei strikt gegen die Rente mit 70 aussprechen.

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Renteneintrittsalter verschiebt sich nach hinten

Ohnehin verschiebt sich die Regelaltersrente in den nächsten Jahren weiter nach hinten. Sie wird gezahlt, wenn mindestens fünf Jahre Wartezeit (Beitragszahlung) erfüllt sind und die sogenannte Regelaltersgrenze erreicht wird. So wird das Alter bezeichnet, das Sie haben, wenn Sie ganz normal nach Ihrem Arbeitsleben in Rente gehen.

Schon lange ist klar, dass die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung für viele im Alter nicht reichen wird. Das hat mehrere Gründe. Zunächst einmal wird die Rente nach einem Umlagesystem aus den Einzahlungen in die Rentenversicherung der gegenwärtigen Arbeitnehmerschaft finanziert.

Oder anders ausgedrückt: Ihre gesetzliche Rente haben Sie nicht selbst angespart, sondern speist sich aus den Beiträgen jetziger Arbeitnehmer. Dieses System wird daher auch als Generationenvertrag bezeichnet. Hier tauchen zwei Probleme auf, die unter dem Begriff demographische Veränderungen subsummiert werden:

  • Die Menschen werden immer älter.
  • Jüngere Generationen verzeichnen geburtenschwache Jahrgänge.

Das bedeutet im Klartext, dass immer weniger Arbeitnehmer für immer mehr Rentner aufkommen müssen und das über einen längeren Zeitraum: Seit 1960 hat sich die Rentenbezugsdauer von zehn auf fast 20 Jahre nahezu verdoppelt. Diese Entwicklungen machen Anpassungen notwendig.

Konsequenzen für zukünftige Rentner und Beitragszahler

Deshalb wird der Beitragssatz, der im Kalenderjahr 2021 (wie in den Vorjahren) 18,6 Prozent beträgt, zukünftig wohl steigen. Da einer geringeren Zahl von Erwerbstätigen nicht die komplette Rente einer wachsenden Rentnergeneration aufgebürdet werden kann, sinkt seit Jahren das Rentenniveau. Das hat Konsequenzen für das eigene Renteneintrittsalter.

Konnten vor 1947 geborene Rentner noch mit 65 Jahren in Rente gehen, wird diese Regelaltersgrenze seit 2012 stufenweise von 65 Jahre auf 67 Jahre angehoben. Um bis 70 arbeiten zu können (oder müssen), ginge es also um drei weitere Jahre.

Die schrittweise Anhebung ist bis zum Jahr 2029 für einen Monat pro Jahrgang festgelegt und betrifft alle Jahrgänge ab 1947. Ab 2024 erhöht sich für alle zukünftigen Rentner das Renteneintrittsalter um zwei Monate. Beginnend mit dem Geburtsjahrgang 1956 heißt das:

  • Geburtsjahr: 1956 – Renteneintrittsalter: 65 Jahre und 10 Monate
  • Geburtsjahr: 1957 – Renteneintrittsalter: 65 Jahre und 11 Monate
  • Geburtsjahr: 1958 – Renteneintrittsalter: 66 Jahre
  • Geburtsjahr: 1959 – Renteneintrittsalter: 66 Jahre und 2 Monate
  • Geburtsjahr: 1960 – Renteneintrittsalter: 66 Jahre und 4 Monate
  • Geburtsjahr: 1961 – Renteneintrittsalter: 66 Jahre und 6 Monate
  • Geburtsjahr: 1962 – Renteneintrittsalter: 66 Jahre und 8 Monate
  • Geburtsjahr: 1963 – Renteneintrittsalter: 66 Jahre und 10 Monate
  • Geburtsjahr: 1964 – Renteneintrittsalter: 67 Jahre
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Vor- und Nachteile Rente mit 70

Was aber spricht dafür, freiwillig bis 70 arbeiten zu gehen, was dagegen? Auf der einen Seite stehen diejenigen, die Rente gar nicht sexy finden. Bis 70 arbeiten zu gehen, stellt für sie kein Muss, sondern einen Gewinn dar. Sie sind körperlich und geistig fit und wollen nicht aufs Abstellgleis geschoben werden.

Und es gibt in der Tat einige Gründe, die dafür sprechen, bis 70 arbeiten zu gehen:

  • Eine feste Struktur
    Natürlich kann sich jeder auch selbst einen Tag strukturieren. Aber die Umstellung fällt einigen Rentnern bekanntermaßen schwer. Arbeit hat über viele Jahrzehnte den Tagesablauf geformt und wenn sie ersatzlos wegfällt, kann das zunächst Probleme bereiten.
  • Eine sinnvolle Tätigkeit
    Für viele Menschen ist Arbeit identitätsstiftend. Sie mögen ihren Job, mögen die Vorstellung, dass Ihre Expertise gefragt ist. Ältere Arbeitnehmer sind für Unternehmen wertvoll. Durch sie kann die Weitergabe von Wissen an Berufsanfänger erfolgen. Zu wissen, dass man gebraucht wird, steigert nicht zuletzt das Selbstwertgefühl.
  • Ein höheres Einkommen
    Es gibt Modelle, in denen es nahezu abzugsfrei möglich ist, in Frührente zu gehen. Attraktiv ist sie vor allem für „besonders langjährig Versicherte“, die mit 63 Jahren in Rente gehen können. Wie stark sich die Rentenabzüge auswirken, hängt von mehreren Faktoren ab. Sowohl die Höhe Ihres Gehalts als auch die Anzahl der Beitragsjahre wirken sich positiv auf die Rentenpunkte aus. Diese können sich jedoch verringern, wenn Sie zu früh in Rente gehen und außerdem unter dem Durchschnittseinkommen lagen. Wer bis 70 arbeiten geht, kann diese Faktoren ausgleichen und/oder mit privater Rentenvorsorge zusätzlich abmildern.

Auf der anderen Seite sollen die Nachteile nicht verschwiegen werden:

  • Nicht jede Arbeit eignet sich
    Wer sich mit körperlich anstrengenden Tätigkeiten herumschlagen muss, womöglich noch einem Schichtdienst nachgeht, sehnt das Ende der Arbeitszeit herbei: Endlich die müden Knochen ausruhen können, einen festen Rhythmus entwickeln und das tun können, was man will. Dazu gehören für etliche Rentner ausgedehnte Reisen, endlich mehr Zeit mit den Enkeln und der Familie verbringen zu können – kurz: Alles das, was während des Arbeitslebens mühselig drumherum organisiert werden muss.
  • Gesundheitliche Einschränkungen belasten
    Selbst wenn jemand einen angenehmen Bürojob hat, ist bis 70 arbeiten nicht immer möglich. Die Leistungsfähigkeit wird durch Erkrankungen auf die Probe gestellt. Ab 65 Jahren nehmen Krebserkrankungen zu, aber auch Diabetes und Blutdruckerkrankungen. Gemäß einer Studie vom Robert-Koch-Institut im Auftrag der Regierung leiden 14 Prozent aller 70-Jährigen an Demenz, 30 Prozent am grauen oder grünen Star – diverse andere Wehwehchen oder Stürze nicht mit gezählt.

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[Bildnachweis: UfaBizPhoto by Shutterstock.com]

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