Definition + Beispiele: Was ist Ekel in der Pflege?
Ekel ist ein starkes Gefühl. Ekel in der Pflege ist keine Seltenheit. Denn die Pflegenden sind beispielsweise mit Kot, Urin, Schleim, Erbrochenem oder Eiter konfrontiert. Nicht nur der Geruch, auch der Anblick oder die Konsistenz können Ekel auslösen. Auch starke Körpergerüche, verdreckte Kleidung oder die Reinigung eines Gebisses können Ekel bewirken. Für den amerikanischen Psychologen Paul Ekman zählt Ekel zu einer von sieben Grundemotionen. Andere Emotionen sind beispielsweise Angst oder Wut. Grund- oder Primäremotionen deshalb, weil sie zur Grundausstattung eines jeden Menschen zählen.
Und das ist wiederum evolutionsbedingt: Ekel erfüllt eine wichtige Funktion. Körperausscheidungen und Sekrete können Keime und Krankheitserreger tragen. Wer sich ekelt, will als ersten Impuls Abstand zwischen sich und dem Auslöser des Gefühls bringen. Typische Symptome sind ein verzerrter Gesichtsausdruck, ein Sichabwenden, Würgereiz bis hin zum Erbrechen. Das stellt Pflegende vor ein Dilemma: Wenn sie es nicht schaffen, ihre Ekelgefühle zu überwinden, können sie ihrer Aufgabe nicht nachgehen. Um den Pflegebedürftigen nicht zu beschämen, versucht die Pflegeperson ihre Gefühle zu verbergen. Durch diesen Widerspruch gerät sie zusätzlich unter Stress.
Ekel überwinden: Bewältigungsstrategien zum Umgang
Da bei jedem etwas anderes starke Ekelgefühle auslöst, gibt es kein ultimatives Rezept. Jede Pflegeperson muss ihre eigenen Bewältigungsstrategien finden, wie sie ihren Ekel überwinden kann. Dazu muss sie wissen, auf welche Auslöser sie reagiert. Dennoch geht es im Wesentlichen darum, eine gewisse Distanz zwischen sich und der ekelauslösenden Substanz zu bringen. Hier einige Tipps für den Anfang:
1. Beugen Sie vor
Der wohl wichtigste Tipp: Beugen Sie potenzielle Ekelsituationen vor. Regelmäßige Körperpflege und fachgerechte Pflege kann Körpergerüche und Absonderungen vermeiden. Richtige Lagerung sowie Kissen und spezielle Matratzen beugen Druckgeschwüre (Dekubitus) vor. Bei häufigem Harndrang oder Inkontinenz können Einlagen und Windeln dazu beitragen, größere Malheure zu verhindern. Allerdings greifen alle diese Hinweise nur bei einer gewissen Regelmäßigkeit. Wer zum ersten Mal einen Patienten übernimmt oder ohnehin jedes Mal andere Herausforderungen bewältigen muss, für den können nachfolgende Tipps hilfreich sein.
2. Beseitigen Sie Gerüche
Viele Körperausscheidungen sind mit unangenehmen Gerüchen verbunden. Diese lassen sich nicht vermeiden, eine Distanz ist nicht möglich. Eine Option ist, bei Betreten des Raumes flach zu atmen oder kurz die Luft anzuhalten und das Fenster zu öffnen. Des Weiteren können Sie spezielle Pflegeschäume, Aromaöle oder Raumsprays benutzen, um den unangenehmen Geruch zu beseitigen. Auch Desinfektionssprays tragen dazu bei, üble Gerüche zu beseitigen. Außerdem können Sie Pfefferminzbonbons lutschen, deren Geruch steigt zuerst in die eigene Nase.
3. Verwenden Sie Handschuhe & Mundschutz
Arbeitskleidung, die Sie wechseln können, Mundschutz und Handschuhe sollten Sie immer griffbereit haben. Der Mundschutz hält nicht nur Viren, sondern bereits einige Gerüche fern. Handschuhe erleichtern die Körperpflege und den Umgang mit Ausscheidungen. Gleichzeitig sind sie ein wirksamer Schutz und eine Barriere zwischen Pflegendem und Pflegebedürftigen.
4. Kleiden Sie Behälter aus
Rechnen Sie bei einem Pflegebedürftigen damit, dass er sich häufiger übergibt oder nicht den Weg zur Toilette schafft, sollten Sie Nierenschalen beziehungsweise Bettpfannen bereit stellen. Diese können Sie zuvor mit einigen Papiertüchern auskleiden. So lassen sich Erbrochenes und Exkremente leichter entfernen.
5. Versetzen Sie sich in den Pflegebedürftigen
Empathie ist ein wesentlicher Bestandteil im Umgang mit Pflegebedürftigen. Gleichzeitig ist sie eine Bewältigungsstrategie bei Ekel in der Pflege. Vielen ist es peinlich, derart hilflos zu sein. Es ist ihnen unangenehm wenn sie erbrochen haben und ein anderer das sieht und entfernen muss. Sich zu vergegenwärtigen, dass man selbst in die gleiche Situation kommen könnte, hilft vielen Pflegekräften.
6. Was außerdem hilft
Neben den oben genannten Techniken und Hilfsmitteln gibt es eine Reihe von Tipps, die Pflegende beherzigen sollten:
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Gespräche
Tauschen Sie sich mit anderen Kollegen und der Führungskraft aus. Welche Erfahrungen haben sie mit Ekel in der Pflege gemacht? Welche Strategien helfen ihnen? Im Gespräch (Datenschutz beachten!) können sich Lösungsansätze ergeben, die Sie so noch nicht bedacht hatten.
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Organisation
Wer im Team eines ambulanten Pflegedienstes oder im Pflegeheim arbeitet, kann unter Umständen tauschen: Entweder mit Blick auf bestimmte Tätigkeiten oder den Patienten. Letzteres ist beispielsweise eine Option, wenn regelmäßig die Reinigung eines künstlichen Beatmungsgerätes erforderlich ist und die Pflegekraft sich besonders vor Schleim ekelt.
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Einstellung
Daneben helfen bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, besser mit Ekel in der Pflege umgehen zu können. Beispielsweise Geduld: Im Umgang mit sich, aber auch mit der zu pflegenden Person. Niemand ist absichtlich pflegebedürftig. Pflegekräfte können eine gesunde, innere Distanz entwickeln. Die verhindert, dass sie Dinge persönlich nehmen. Und manches lässt sich tatsächlich mit Humor besser verarbeiten. Bestimmte Situationen aus einer anderen Perspektive zu sehen, lässt einiges besonders absurd und komisch erscheinen.
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Kontakte
Daneben ist Ablenkung durch soziale Kontakte wichtig. Seien es Teamkollegen in der Pause oder Familie und Freunde in der Freizeit. Wichtig ist, dass Sie nicht nur Pflegethemen besprechen, sondern ganz Alltägliches. So bekommen Sie den Kopf frei und können sich angenehmen Gefühlen widmen.
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Sport
Vor allem dann, wenn Sie ihn nicht thematisieren, verursacht Ekel in der Pflege zusätzlichen Stress. Aber mit Gesprächen allein lässt sich Stress oft nicht abbauen. Wichtig daher, dass Sie auch für Ihr körperliches Wohlbefinden etwas tun und Sport treiben. Das ist der beste Stresskiller überhaupt und lenkt die Gedanken aufs Hier und Jetzt.
Was löst den Ekel in der Pflege aus?
Ekel ist vor allem eine sensorische Erfahrung: Wir riechen, sehen, hören, tasten oder schmecken etwas Ekeliges. Ekel in der Pflege ist überwiegend an Geruchssinn, Gesichtssinn, Hörsinn oder Tastsinn gebunden – der Geschmackssinn spielt seltener eine Rolle. Besonders stark für Ekel verantwortlich ist der Geruchssinn.
Durch die Nase werden Gerüche direkt ans Großhirn weitergeleitet und dort mit Riecherinnerungen verknüpft. Wie stark eine Person Ekel empfindet, ist individuell unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab:
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Berufserfahrung
Betroffen sind nicht nur pflegende Angehörige, sondern viele Berufsanfänger. Oft fehlt es ihnen an der nötigen Erfahrung und/oder in der Ausbildung wurde das Thema vernachlässigt. Eine erfahrene Pflegekraft hingegen hat im Laufe ihres Berufslebens passende Bewältigungsstrategien erlernt. Häufig tritt bei bestimmten Situationen ein Gewöhnungseffekt ein und sie kann entsprechend professionell reagieren.
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Bewertung
Ekel in der Pflege hängt zudem stark von der eigenen Bewertung ab. Der eine kann schlecht mit Fäkalien umgehen, ein anderer ekelt sich vor Blut. So gesehen gibt es eine gewisse „Hierarchie“ unter den ekelauslösenden Faktoren. Wer sich stark vor Schleim ekelt, kann sich beim Anblick einer durchnässten Unterlage sagen: „Ich bin Schlimmeres gewohnt.“
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Beziehung
Entscheidend auch, in welcher Beziehung der Pflegende zum Pflegebedürftigen steht: Pflegt jemand seinen Ehepartner, spielt Scham aufgrund von Nacktheit vermutlich keine Rolle. Auch kann eine Pflegekraft ihr Ekelgefühl vielleicht besser kontrollieren, wenn die pflegebedürftige Person ihr sympathisch ist.
Ekel und Scham liegen dicht beieinander
Häufig hat Ekel mit Nähe zu tun. Professionell Pflegende kommen einer fremden Person deutlich näher als das eigentlich üblich ist. Dazu wird nicht nur die Distanzzone überwunden, sondern die Intimsphäre berührt. Das löst häufig bei beiden Parteien Scham aus. Ältere Menschen genieren sich, nackt vor Fremden zu sein. Aber selbst wenn pflegende Angehörige sich kümmern, kann es zu starken Schamgefühlen kommen.
Beispielsweise wenn ein erwachsenes Kind einen Elternteil pflegt, sich aber vor den Ausscheidungen ekelt. Oder die Tochter Schwierigkeiten hat, den eigenen Vater zu duschen. Schamgefühle entstehen auch bei den Pflegebedürftigen, wenn sie den Ekel beim Pflegenden bemerken. Andersherum: In dem Moment, wo Pflegende sich physisch oder psychisch distanzieren können, entziehen sie dem Ekel seine Grundlage.
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