Geschwisterrivalität – was tun? Psychologie + Symptome

Geschwisterrivalität ist so alt wie die Menschheit. Schon in der Bibel und vielen Märchen finden sich Geschichten rund um Zwist und Brudermord, so etwa den Mord an Abel durch Kain. Einzelkinder sind oft die unangefochtenen Kronprinzen – jedenfalls solange, bis ein Geschwisterchen dazu kommt. Geschwisterrivalität ist dann die natürliche Folge, da ist sich die Geschwisterforschung sicher. Wie Sie die Konkurrenz der Geschwister untereinander in Schach halten und Geschwisterliebe fördern können…

Geschwisterrivalität - was tun? Psychologie + Symptome

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Was ist Geschwisterrivalität?

Neid, Eifersucht, Wut – Geschwisterrivalität ist mit allerhand negativen Emotionen behaftet. Wer als Einzelkind aufwächst, hat seine Eltern für sich allein. Anders bei Geschwisterkindern: Spätestens wenn sich ein Geschwisterchen ankündigt, muss das Erstgeborene lernen zu teilen: Die Aufmerksamkeit der Eltern, aber auch Süßigkeiten oder Spielsachen beansprucht plötzlich ein weiteres Familienmitglied.

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Psychologie: Ältere Schwester erleidet „Entthronungstrauma“

In der Psychologie ist vom Entthronungstrauma die Rede, wenn (beispielsweise) die ältere Schwester sich in einer neuen Rolle wiederfindet. Galt bisher ihr die uneingeschränkte Aufmerksamkeit, muss sie nun einen (nicht unerheblichen) Teil dessen an den jüngeren Bruder oder die jüngere Schwester abtreten. Eltern und Verwandte kümmern sich nun vermehrt um das Neugeborene. Das Erstgeborene fühlt sich dadurch zurückgesetzt und „entthront“.

Plötzlich steht es nicht mehr im Mittelpunkt. Daran muss sich ein Kind erst einmal gewöhnen. Diese neue Situation fühlt sich für das Kind zwar schlimm an, letztlich ergibt die Geschwisterrivalität evolutionär betrachtet aber Sinn: Das Kind macht durch entsprechende Handlungen auf sich aufmerksam und stellt so sicher, dass die Eltern sich auch ihrem Erstgeborenen in ausreichendem Maß widmen. In den Anfängen der Menschheit konnte ein weiteres Familienmitglied schließlich auch Konkurrenz ums Essen und somit Nahrungsmittelknappheit bedeuten.

Geschwisterrivalität formt soziale Kompetenzen

Die Geschwisterrivalität ist aus einem anderen Grund sinnvoll. Aus psychologischer beziehungsweise pädagogischer Sicht begünstigt die Konkurrenzsituation die Entwicklung des Kindes. Das Kind muss nun damit zurechtkommen, dass es nicht allein auf der Welt ist. Das beugt Egoismus vor und fördert Sozialkompetenzen, die es im Umgang mit anderen braucht: Durchsetzungsfähigkeit und Frustrationstoleranz, sowie Kompromissfähigkeit und Empathie.

Entthronungstrauma Symptome: Wie viel Streit unter Geschwistern ist normal?

Das lässt sich schwerlich pauschalisieren. Jedes Kind ist individuell, demnach gibt es sehr stille, introvertierte Kinder, die pflegeleicht erscheinen. Andere wiederum sind sehr herausfordernd und geraten schnell mit anderen in Streit. Kinder reagieren unterschiedlich auf das Entthronungstrauma. Aus der Forschung ist bekannt, dass unter manchen Geschwistern alle zehn bis 20 Minuten Streit vorkommt.

Es kommt auch weniger auf die Häufigkeit als vielmehr die Qualität an: Hauen, Spucken, Schubsen, an den Haaren ziehen und Beleidigungen sollten in jedem Fall Tabu sein. Wenn die Geschwisterrivalität derartige Auswüchse zeigt, ist es wichtig, dass Eltern einschreiten. Ohnehin lässt sich das Entthronungstrauma vorbeugen oder zumindest gering halten. Dazu sollten Eltern ihr Erstgeborenes frühzeitig in die anstehende Geburt miteinbeziehen.


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Wie entsteht Geschwisterrivalität?

Geschwisterrivalität existiert in allen Gesellschaften. Das legt den Verdacht nahe, dass das Gefühl so alt wie die Menschheit ist. Allerdings gibt es Faktoren, welche den Neid auf das Geschwisterkind begünstigen. So fanden Forscher heraus, dass bei Kindern mit gleichem Geschlecht und geringem Altersabstand stärkere Geschwisterrivalität existiert als unter anderen Geschwistern.

Besonders gravierend wirken sich hier Ungleichbehandlungen aus. Sind zwei fast gleichaltrige Geschwister gleichen Geschlechts in einem Verein oder in der Kita, drängen sich Vergleiche in der Entwicklung geradezu auf. Das schwört Konflikte geradezu herauf. Auch die Geschwisterreihenfolge wirkt sich auf die Rivalität aus. Vereinfacht ausgedrückt – jede Position hat ihre Vor- und Nachteile:

  • Das Erstgeborene
    muss seine bisherige Sonderstellung aufgeben, hat aber Privilegien gegenüber den jüngeren Geschwistern.
  • Das mittlere Kind
    das sogenannte Sandwich-Kind leidet darunter, weniger Aufmerksamkeit als das größere und das jüngere Kind zu bekommen.
  • Das Jüngste
    wird anfangs nicht ernst genommen, hat noch nicht so viele Freiheiten und ist oft neidisch auf die älteren Geschwister.

Verhalten der Eltern

Das erste Kind ist für die meisten Eltern ein Wunder. Erst recht, wenn sie es sich lange sehnlichst gewünscht haben. Ihrem Erstgeborenen widmen sie daher viel Zeit. Kommt mit etwas Abstand ein weiteres Kind hinzu, muss das Erstgeborene plötzlich seine Eltern mit dem Geschwisterkind teilen. Das kann sich wie Vernachlässigung und Liebesentzug anfühlen.

Geschlecht und Alter

Damit es zur Geschwisterrivalität kommt, spielen noch andere Faktoren eine Rolle. So kommt es beispielsweise darauf an, ob das Geschwisterkind das gleiche Geschlecht hat und sich in etwa in einem ähnlichen Alter befindet. Faustregel: Je weiter beide Kinder auseinander sind und handelt es sich um Bruder und Schwester, desto geringer fällt die Geschwisterrivalität aus. Andersherum bieten zwei Kinder des gleichen Geschlechts bei geringem Altersunterschied viel mehr Anlass für Vergleiche.

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Tipps: Das können die Eltern tun

Das Geschlecht eines Kindes kann man sich schwerlich aussuchen. Was also tun, wenn die Geschwisterrivalität Überhand zu nehmen droht?

  • Wortwahl bedenken

    Eltern sollten nicht das Geschwisterchen als Grund angeben, wenn sie gerade keine Zeit fürs ältere Kind haben. Stattdessen sollten sie einen Zeitpunkt ins Auge fassen, wann sie sich kümmern können. Beispielsweise so: „Warte noch fünf Minuten, dann habe ich Zeit für dich.“ Oder: „Jetzt im Moment geht das nicht. Aber in einer Viertelstunde spielen wir zusammen dein Lieblingsspiel.“

  • Liebe demonstrieren

    Kommt ein neues Familienmitglied dazu, überwiegt am Anfang sicherlich Neugier seitens des Erstgeborenen. Diese schlägt aber leicht in Angst um: Haben die Eltern mich noch genauso lieb wie früher? Solche Ängste sollten Eltern zerstreuen, indem sie ihrem Kind immer wieder sagen, wie lieb sie es haben. Wichtig ist, mit dem Kind zu sprechen und es in den Arm zu nehmen.

  • Erstgeborenes miteinbeziehen

    Das Neugeborene muss gefüttert und gewickelt, umgezogen und zu Bett gebracht werden. Eltern sollten das Geschwisterkind von Anfang an miteinbeziehen. So wird seine Gegenwart zu etwas Selbstverständlichem. Gleichzeitig können Eltern die Position des älteren Kindes und seine Rolle stärken: Er oder sie ist nun großer Bruder beziehungsweise große Schwester. Damit kann der/die Erstgeborene nicht nur Verantwortung übernehmen, sondern auch Lob erhalten.

  • Zeit widmen

    Eltern sollten zudem ihrem Erstgeborenen immer wieder Zeit widmen und dann auch deutlich machen: Wir zwei verbringen jetzt den Nachmittag mit etwas, das du dir aussuchst. Sowohl Mutter als auch Vater sollten sich immer wieder etwas Extra-Zeit nehmen, um so der Geschwisterrivalität vorzubeugen. So können sie ihrem Kind beispielsweise aus dem Lieblingsbuch vorlesen, gemeinsam mit Puppen spielen oder andere Freizeitaktivitäten gezielt unternehmen.

Wie kann man Geschwisterliebe fördern?

So gesund und sinnvoll ein gewisses Maß an Geschwisterrivalität auch ist: Keiner will Dauerstreit im Kinderzimmer, ständig Tränen und Gebrüll. Um stattdessen die Geschwisterliebe zu fördern, empfehlen wir folgende Tipps:

  • Neutralität wahren

    Am besten ist es, wenn Kinder ihren Streit untereinander beilegen. Aber das klappt nicht immer. Bevor sich beide gegenseitig die Augen ausstechen, sollten Eltern und Großeltern natürlich eingreifen. Wichtig: Versuchen Sie neutral zu bleiben – wer angefangen hat, werden Sie ohnehin nicht klären können. Wichtiger ist, dass beide Seiten sich vertragen.

  • Regeln einhalten

    Stellen Sie Regeln auf, welchen Umgang alle miteinander pflegen wollen. Dabei sollte klar sein, dass für Gewalt – Hauen, Schubsen und Ähnliches – kein Platz ist. Diese Regeln müssen die Erwachsenen mit den Kindern besprechen – nicht von Kind zu Kind weiterreichen lassen. Wichtig: Eltern und Großeltern sollten mit gutem Beispiel vorangehen und einen respektvollen Umgang ohne Geschrei praktizieren.

  • Zeit schenken

    Geschwisterrivalität entsteht aus dem Gefühl des Verzichts. Daher ist es wichtig, dass Eltern und Großeltern immer wieder Freiräume für jedes einzelne Kind schaffen. Das kann besonders bei kleinen Säuglingen oder einem Kind mit Behinderung herausfordernd sein. Dennoch sollte jedes Kind Exklusivzeit mit einem Eltern- oder Großelternteil verbringen können.

  • Vergleiche vermeiden

    Jedes Kind hat andere Stärken und Schwächen. Akzeptieren Sie diese und vermeiden Sie es, Vergleiche zwischen den Geschwisterkindern zu ziehen. Das schürt Psychologen zufolge nur das Konkurrenzdenken untereinander und führt zu neuen Streitigkeiten.

  • Lob aussprechen

    Eltern und Großeltern sollten im Alltag ihren Kindern beziehungsweise Enkeln immer wieder vermitteln, dass sie stolz auf sie sind. Vergessen Sie nicht, das Kind immer mal wieder zu loben. So hält sich das Neidgefühl in Grenzen.

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[Bildnachweis: Herbstlust.de]

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