Was ist emotionale Abhängigkeit?
Emotionale Abhängigkeit bedeutet, dass eine Person kaum mehr ohne die andere sein kann. Abhängigkeit von Drogen oder Alkohol fürchten viele. Die negativen Konsequenzen solcher Süchte sind oft erkennbar. Emotionale Abhängigkeit hingegen wirkt nur harmlos, kann aber ebenfalls fatale Konsequenzen haben: Verpackt als große Liebe, sich kümmern oder einfach den Wunsch nach Nähe zu haben, kann sie zur Selbstaufgabe führen.
Ohne Emotionen fehlt uns etwas: Nämlich die Fähigkeit, Situationen zu bewerten und angemessen zu handeln. Sie erleichtern die Kommunikation in Beziehungen. Beispielsweise erkennen wir, ob unser Gegenüber vielleicht traurig ist und nun Trost und Zuspruch braucht. Bei emotional Abhängigen sind die eigenen Emotionen aber eng mit denen ihres Partners gekoppelt. Das hat nur noch wenig mit Empathie, aber viel mit Sucht, Fremdbestimmung oder gar Hörigkeit zu tun.
Test: Anzeichen, dass Sie emotional abhängig sind
Wo ist es noch Liebe, wo beginnt jemand, emotional abhängig zu werden? Das lässt sich nicht immer eindeutig sagen. Meist zeigt sich emotionale Abhängigkeit auch nicht in einer Sache. Sondern in einem Bündel an Verhaltensweisen. Anzeichen dafür, dass Sie zu sehr auf Ihren Partner fixiert sind, können Sie in folgendem Selbsttest überprüfen. Dazu einfach zutreffende Aussagen im Browser abhaken:
- Sie müssen sich ständig rückversichern
Liebt Ihr Partner Sie auch wirklich? Das wollen Sie immer bestätigt wissen. Falls er es Ihnen nicht von sich aus sagt, fordern Sie diese Bestätigung ein. Fehlen scheinbare Anzeichen für Zuneigung und Aufmerksamkeit, schlägt sich das sofort negativ auf Ihre Stimmung nieder. - Sie treffen keine eigenen Entscheidungen
Alle Aktivitäten und Entscheidungen gehen von Ihrem Partner aus. Damit geben Sie auch die Verantwortung ab: Sollte etwas schief gehen, ist Ihr Partner schuld. Eine bequeme, aber auch unreife Haltung. - Sie sind oft grundlos eifersüchtig
Unternimmt Ihr Partner etwas mit Freunden, nagt das an Ihnen. Sind Sie mal nicht im Detail darüber informiert, was Ihr Partner macht, werden Sie unruhig. Am liebsten würden Sie den anderen kontrollieren, zur Sicherheit sein Handy überprüfen. - Sie stellen eigene Bedürfnisse zurück
Vielleicht haben Sie ohnehin selten eine genaue Vorstellung. Aber wenn, wird anstandslos gemacht, was Ihr Partner will. Sie richten alles nach ihm aus, selbst wenn das Unannehmlichkeiten für Sie bedeutet. Dafür sind Sie sogar bereit, Freundschaften zu vernachlässigen und Nachteile in Kauf zu nehmen. - Sie geben mehr als Sie zurückbekommen
Haben Sie den Eindruck, ständig 100 Prozent in der Beziehung zu geben, aber nichts oder kaum etwas zurückzubekommen? Noch schlimmer: Zieht sich der andere zunehmend zurück? - Sie haben kaum soziale Kontakte
Statt eigene Freunde und Bekannte zu treffen, verbringen Sie nur noch Zeit mit Ihrem Partner. - Sie können schlecht allein sein
Es fällt Ihnen schwer, allein zu sein. Ihnen wird schnell langweilig, die Decke fällt auf den Kopf und Sie sehnen sich nach Ihrem Partner.
Dieser Selbsttest kann keine tiefergehende Analyse ersetzen. Aber er zeigt eine klare Tendenz: Wenn Sie einen Haken hinter alle Aussagen setzen konnten, spricht das sehr wahrscheinlich für emotionale Abhängigkeit.
Tipps: So können Sie emotionale Abhängigkeit lösen
Wer sich aus emotionaler Abhängigkeit lösen will, muss selbst zum Quell seiner Freude werden. Sie müssen sozusagen Ihre eigene Sonne sein. Hier geht es um eine gesunde Form des Egoismus. Folgende Tipps können Ihnen dabei helfen:
1. Reflektieren Sie Ihre Lage
Kamen Ihnen die Anzeichen im Test sehr vertraut vor? Sich das ehrlich einzugestehen ist schwierig. Dennoch ist es notwendig, um zu sich selbst zu finden. Der erste Schritt bereits getan: Sie haben erkannt, dass Sie sich aus emotionaler Abhängigkeit lösen wollen. Gleichzeitig ist die Überwindung ein Prozess, indem Sie neue Erfahrungen machen werden. Das Wichtigste dabei: Sie werden erkennen, dass Sie ohne den anderen sein und überleben können.
2. Sorgen Sie mehr für sich selbst
Selbstfürsorge bedeutet, die Verantwortung für sein eigenes Glück und seine eigene Freude zu übernehmen. Achten Sie nicht nur auf Ihre Gesundheit und Ernährung. Fangen Sie an, Ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und Ihr Handeln danach auszurichten. Heißt: Statt immer Kompromisse zu schließen, den eigenen Wunsch durchzusetzen. Lernen, nein zu sagen. Das kann vielleicht beim einen oder anderen für Irritation sorgen. Wer Ihnen aber eigene Bedürfnisse nicht zugesteht, ist rücksichtslos und Ihrer Liebe nicht wert.
3. Erkennen Sie Ihre Liebenswürdigkeit
Wer sich immer über andere definiert, überlässt denen die Deutungshoheit. Im Positiven wie im Negativen. Daher ist wichtig zu erkennen, dass Sie grundsätzlich liebenswert sind. Auch ohne dass Ihr Gegenüber Ihnen das jederzeit bestätigt. Fangen Sie an, sich selbst zu lieben, indem Sie sich etwas Gutes tun. Den inneren Kritiker ausschalten und realistisch auf sich blicken. Auch die positiven Seiten erkennen. Selbstfürsorge ist ein Anfang. Aber Sie müssen sich auch selbst lieben. Selbstliebe ist der Schlüssel zu mehr Unabhängigkeit und Respekt durch andere.
4. Lernen Sie neue Leute kennen
Ihre emotionale Abhängigkeit vom Partner hat dazu geführt, dass Sie Ihre Freunde vernachlässigt haben. Nehmen Sie Ihre sozialen Kontakte wieder auf. Knüpfen Sie neue, indem Sie beispielsweise eine neue Sprache lernen. Oder ein Ehrenamt übernehmen. Das erfordert zwar Mut und Aktivität. Aber neue Bekanntschaften geben neue Impulse und öffnen den Blick für andere Sichtweisen – auch auf die eigene Person. Zudem können Sie mit Freunden Probleme besprechen, beispielsweise wenn es zu Streit oder gar Trennung in der Beziehung kommt. Alles in allem sind sie eine echte Bereicherung und bringen Sie der Unabhängigkeit ein Stück näher.
5. Üben Sie sich in Geduld
Wie angesprochen, handelt es sich um einen Prozess. Über Jahre oder gar Jahrzehnte angeeignete Verhaltensweisen können wir nicht von heute auf morgen ändern. Daher sollten Sie sich selbst gegenüber geduldig sein. Das gilt besonders für den Fall, wenn Sie sich selbst dabei ertappen, in alte Muster zurückzufallen. Wahrscheinlich werden Sie verschiedene Phasen durchmachen, bevor Sie Ihre emotionale Abhängigkeit überwinden. Lassen Sie sich von kurzzeitigen Rückschritten nicht entmutigen. Hier kann das Konzept der Achtsamkeit helfen: Beobachten Sie das, aber vermeiden Sie Bewertungen. Folgen Sie stattdessen Ihrem Ziel zu mehr Unabhängigkeit.
Warum ist emotionale Abhängigkeit kritisch?
Wer emotional abhängig ist, macht sein eigenes Glück nur von der anderen Person abhängig. Hat diese einen schlechten Tag, haben Sie auch einen schlechten Tag. Als Abhängiger können Sie kaum eigenständig schöne Momente erleben. Und wer das Pech hat, an einen Narzissten zu geraten, wird zusätzlich noch unterdrückt. Durch Manipulation verstärkt der narzisstisch Partner beim emotional Abhängigen noch mehr das Gefühl, eigentlich völlig nutzlos zu sein.
Hinzu kommt, dass Sie bei emotionaler Abhängigkeit jede freie Minute mit dem Partner verbringen wollen. Weil Sie nicht gelernt oder verlernt haben, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Aus eigenem Antrieb Interessen zu entwickeln und ihnen nachzugehen. Das kann dazu führen, dass Sie Ihren Partner mit Ihrer Liebe geradezu ersticken. Ihm fehlt die nötige Distanz, um auch mal Zeit für sich und eigene Wünsche zu haben. Und setzt ihn wiederum unter Druck: Alle wichtigen Entscheidungen hängen von ihm ab. Im Falle eines „Fehlers“ ist er somit auch für Ihr Unglück verantwortlich.
Leicht kann sich daraus eine Negativspirale entwickeln: Ihr Partner fühlt sich belastet, zieht sich zurück. Das führt beim emotional Abhängigen wiederum dazu, dass er sich stärker engagiert, Zeichen der Zuneigung einfordert. Infolgedessen wächst der Druck auf den Partner, er zieht sich noch mehr zurück. Auf Dauer gefährdet emotionale Abhängigkeit also die Partnerschaft.
Ursachen für emotionale Abhängigkeit
- Verlustangst
Die Erfahrung, verlassen zu werden, ist besonders in der frühen Kindheit prägend. Die absolute Hilflosigkeit in dem Alter kann das eigene Überleben im Falle des Verlusts gefährden. Schlechte Erfahrungen in späteren Beziehungen fördern die Angst, erneut verlassen zu werden und können emotionale Abhängigkeit verstärken. - Unzufriedenheit
Manchmal steckt große Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben hinter emotionaler Abhängigkeit. Der Job, das soziale Umfeld und überhaupt alles wird als schlecht bewertet. Der Partner bedeutet für die emotional abhängige Person alles: Statt eigener Hobbys und Freunde kreist der Abhängige um ihn wie um die Sonne. - Selbstwertgefühl
Der emotional Abhängige definiert sich komplett über seinen Partner. Liebenswert ist er nur, weil diese Partnerschaft existiert. Eine Trennung wäre katastrophal und würde stark am Selbstwertgefühl nagen.
Weiterführende Artikel
- Enttäuschung: Definition, Zitate & Tipps für den Umgang
- Toxische Beziehung erkennen: Merkmale und 5 Auswege
- Antriebslosigkeit: Mehr Motivation für den Alltag
- Motivationssprüche: 107+ Verse für mehr Kraft im Alltag
- Positiv denken: 7 Tipps + 3 Übungen für mehr Lebenslust