Definition: Was ist eine Demütigung?
Als Demütigung werden Verhaltensweisen definiert, die bewusst auf den Stolz und die Würde einer Person abzielen. Der Angreifer zeigt einem anderen seine Verachtung. Gleichzeitig wird damit das im Angegriffenen erzeugte Gefühl des Gedemütigtseins bezeichnet. Besonders wenn dies im Beisein anderer Personen passiert, führt das beim Gedemütigten zu Scham. Ein Beispiel dafür ist öffentliche Zurschaustellung am Pranger im Mittelalter. Personen, die gegen geltende Regeln verstoßen hatten, wurden so bestraft. Häufig kam das einem Ausstoß aus der Gesellschaft gleich.
In Europa gehören solche Praktiken der Vergangenheit an. Aber sie existieren noch. Heutzutage werden Leute im übertragenen Sinne derart bloßgestellt: Etwa wenn amerikanische Gerichte sogenannte „shaming punishments“ aussprechen, also beschämende Strafen. Der Gedanke dahinter: Durch öffentliche Demütigung und Entwürdigung will man den Straftäter zur Einsicht bewegen. Gleichzeitig basiert diese Vorstellung auf der Macht des Schamgefühls. Es dient der Abschreckung und soll somit andere von ähnlichen Taten abhalten.
Beispiele für Erniedrigung in anderen Bereichen
Andere zu erniedrigen hat nicht nur strafrechtliche Bedeutung. Es kommt in vielen verschiedenen Bereichen vor, zum Beispiel:
- Schule
Wenn die Schüler beispielsweise zwei Mannschaften bilden sollen und ein- und derselbe Schüler immer als letzter übrig bleibt. Oder der Lehrer trennt zwei herumalbernde Schüler und stellt einen in die Ecke, den anderen schickt er vor die Tür. - Militär
Wenn ein Offizier aufgrund eines Fehlers sein Rangabzeichen verliert. - Arbeitsleben
Ein Auszubildender stellt eine Frage, die er beantworten können müsste. Dafür putzt ihn sein Ausbilder vor den anderen Azubis herunter. - Partnerschaft/Beziehung
Ein Partner unterbricht den anderen andauernd vor Freunden. Oder er fügt bissige Kommentare hinzu, wenn sein Partner etwas erzählt.
Demut als Form der Selbsterniedrigung
Eng mit der Demütigung verknüpft ist der Begriff der Demut. Er beschreibt eine innere Haltung einer Person zu sich selbst und anderen gegenüber. Das Christentum versteht Demut als Haltung zu Gott: Indem der Mensch Gottes Allmacht uneingeschränkt anerkennt, zeigt er sich demütig. Er unterwirft sich Gott – allerdings nicht dergestalt, dass er sich geringschätzt. Sondern Gottes Größe anerkennt, die im Vergleich zum Menschen unermesslich ist.
Damit gibt es Parallelen zur Bescheidenheit. Bescheiden zu sein heißt, andere hoch zu schätzen und gleichzeitig um eigene Fähigkeiten zu wissen. Sie ist damit das Gegenteil von Stolz. Dem antiken Philosophen Sokrates wird der Spruch „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ zugeschrieben. Er gilt als einer der größten Gelehrten seiner Zeit. Indem er jedoch behauptet, nichts zu wissen, stellt er sein Licht unter den Scheffel. Seine eigene Bedeutung schätzt er als gering ein. Demut geht noch eine Stufe weiter.
In der Psychologie wird Demut als Voraussetzung dafür gesehen, den eigenen Narzissmus überwinden zu können. Nimmt man den Begriff wörtlich, dann ist Demut eine Variante von Mut: Sie setzt den Mut zur Unterwerfung, zur Unterordnung voraus.
Was macht Demütigung mit der Psyche?
Psychologisch betrachtet kann Demütigung zu dreierlei Reaktionen führen:
Depression
Wer über einen längeren Zeitraum erniedrigt wird, fühlt sich schließlich wertlos. Der Betroffene wird völlig apathisch, fällt in eine Depression. Zu beobachten ist dies beispielsweise bei vielen Missbrauchsopfern.
Aggression
Auf der anderen Seite können Demütigungen beim Gegenüber Gewalt und Aggressionen hervorrufen. Daraus entspinnt sich unter Umständen ein regelrechter Kreislauf von Rache und Gewalt. Dies ist beispielsweise in Krisengebieten bei Kriegs- und Folteropfern verbreitet.
Resilienz
Es ist aber auch ein gegenteiliger Effekt möglich: Die ständigen Erniedrigungen und Kränkungen führen zu einem gestärkten Bewusstsein. Statt in die Opferrolle zu fallen, verändern diese Personen ihre Herangehensweise konstruktiv. Eins der prominentesten Beispiele ist der Psychiater und Resilienzforscher Viktor Frankl, der selbst unter menschenunwürdigsten Bedingungen Jahre im Konzentrationslager verbrachte.
Ist demütigen strafbar?
Erst seit einigen Jahren rückt die Macht der Demütigung ins öffentliche Bewusstsein. Das hängt unter anderem mit den Menschenrechten zusammen. Demnach haben alle Menschen das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Das bedeutet, dass ihnen Schutz vor Körper- und Prügelstrafen gewährt wird. Außerdem ist entwürdigende oder erniedrigende Behandlung – beispielsweise in Form von Ehrenstrafen – nicht erlaubt. Letzteres ist jedoch bei Demütigungen nicht garantiert. So gesehen handelt es sich um einen Verstoß gegen das Menschenrecht. Als eigenen Straftatbestand gibt es Demütigung jedoch nicht.
Ein Problem: Wo kein Kläger, da kein Richter. Viele Formen der öffentlichen Beschämung heutzutage sind stillschweigend akzeptiert. Oder das Recht kann aufgrund unklarer Lage nicht durchgesetzt werden. Bestes Beispiel ist dafür sind Internetpranger: In bestimmten Foren lästern Nutzer über andere Personen. So funktioniert auch Bodyshaming. Das Opfer hat zwar keine Straftat begangen, aber es weicht äußerlich von einer Norm ab. Grund genug für manche, diese Person der Lächerlichkeit preiszugeben.
Die Form kann strafbar sein
Soll heißen: Es kommt darauf an, welcher Art die Demütigungen sind beziehungsweise, welche Form sie annehmen. Sticheleien in der Partnerschaft vor anderen mögen verletzend und schwer zu ertragen sein. Strafbar sind sie jedoch nicht. Auch wird ein Mann vermutlich kaum seine Frau (oder umgekehrt) wegen erniedrigender Kommentare anklagen. Ein weiteres Problem: Wo hört die eigene Empfindlichkeit auf, wo fängt Demütigung an? Witze werden häufig auf Kosten anderer gemacht. Tatsächliche oder scheinbare Minderheiten sind Ziel des Spotts.
Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen persönlicher Kränkung und gezielten Demütigungen. Nehmen sie die Form von Beleidigungen und Verleumdungen an, sieht es schon anders aus. Im Unterschied zu persönlichen Kränkungen beruhen sie auf dem Bruch allgemein akzeptierter Verhaltensweisen. Heißt: Es ist ein objektiver Verstoß gegen Regeln feststellbar. Rassistische oder antisemitische Schimpfwörter und/oder abfällige Gesten gegenüber anderen stehen daher unter Strafe.
Demütigungen in der Partnerschaft
Demütigungen können krank machen. Auch wenn sich das Gefühl des Gedemütigtseins in Rache und Aggression verkehrt, ist das am Ende schlecht für den Betroffenen selbst. Wenn eine Ihnen nahestehende Person sich demütigend verhält, ist das ein klarer Hinweis dafür, dass in Ihrer Beziehung etwas nicht in Ordnung ist. Vielleicht sind Sie in einer toxischen Beziehung, in der Ihr Partner durch demütigendes Verhalten seine Macht ausspielt.
Oder aber Ihr Partner ist mit sich selbst völlig unzufrieden und weiß nicht, wie er es ändern soll. Stattdessen provoziert er mit seinem Verhalten eine Reaktion Ihrerseits. Wie Sie im Einzelnen vorgehen, ist abhängig davon, in welcher Position Sie zum Aggressor stehen. Auch das Ausmaß der Erniedrigungen spielt mit hinein. Was auch immer der Auslöser für das Verhalten Ihres Gegenübers ist: Demütigungen sind in erster Linie Ausdruck mangelhaften Konfliktlösungsverhaltens. Statt klipp und klar zu sagen, was ihn oder sie an Ihnen stört, flüchtet sich Ihr Gegenüber in (verbale) Attacken. So etwas sollten Sie nicht durchgehen lassen.
Demütigung verarbeiten: Tipps für den Umgang
Um Demütigungen verarbeiten zu können, bedarf es eines gesunden Selbstvertrauens. Je mehr Sie von sich und der Richtigkeit Ihrer Handlungen und Werte überzeugt sind, umso weniger können die Aussetzer anderer Sie treffen. Sie wissen, dass Sie sich nichts vorzuwerfen haben. Leider reicht das allein nicht. Um etwas an der Situation zu ändern, müssen Sie aktiv werden:
1. Gespräch suchen
Nehmen Sie in eine ruhigen Minute Ihren Partner zur Seite. Sprechen Sie ihn auf die demütigende Situation an und erklären, welche Emotionen das in Ihnen ausgelöst hat. Sofern die Beziehung nicht bereits völlig zerrüttet ist, können Sie mit diesem Vorgehen schwelende Konflikte lösen. Entscheidend ist, dass Sie mit Ihrem Partner (oder Freund) in einem Vier-Augen-Gespräch reden und ihn nicht öffentlich vorführen.
2. Kritik prüfen
Sind die Demütigungen nur ein Zeichen dafür, dass Ihr Partner kein konstruktives Kritikgespräch führen kann, gilt es näher zu schauen. Im Gespräch sollten die Kritikpunkte nun zutage treten. Gucken Sie auf inhaltlicher Ebene hin, ob die Kritik berechtigt ist. Das rechtfertigt nicht die Form, ist aber ein Ansatz dafür, ähnliche Situationen vorzubeugen. Je nachdem kann eine Entschuldigung Ihrerseits angebracht sein. Ist die Kritik unberechtigt, sollten Sie entsprechend argumentieren.
3. Schlagfertigkeit beweisen
Geht es darum, das Gesicht zu wahren, kann es wichtig sein, öffentlich Kante zu zeigen. Dann kann auch ein schlagfertiger Konter in der Öffentlichkeit angebracht sein. Zum Beispiel bei einem schwierigen Kollegen. Eine Nichtreaktion könnte als Schwäche ausgelegt werden. Mit schlagfertigen Antworten in der jeweiligen Situation stellen Sie klar, dass sein Verhalten inakzeptabel ist und Konsequenzen hat. Und dass Sie nicht klein beigeben. Dieses Verhalten kann auch Narzissten gegenüber angemessen sein.
4. Demütigung verzeihen
Studien belegen, dass Rache nur kurzfristig befriedigt. Langfristig ist sie Gift. Um eine Demütigung verarbeiten zu können, ist verzeihen hilfreich. Das ist je nach Schwere der Demütigung sicherlich nicht einfach. Wer seinem Partner verzeiht, macht die Verletzung auch nicht ungeschehen. Aber er gibt sich eine Chance zu heilen und das Vergangene zu überwinden. Das ist ein aktiver Prozess, der einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Gleichzeitig ist er eine Chance, eine angeknackste Beziehung zu retten.
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