Was ist die Familienpflegezeit?
Tritt der Pflegefall ein, wünschen sich die meisten Menschen, zuhause versorgt zu werden. Doch die Umsetzung ist herausfordernd: Kümmern sich beispielsweise die Kinder um die Pflege der Eltern, müssen sie den eigenen Familienalltag, den Job und zusätzlich die Pflege stemmen. Das ist oft mehr als eine Person leisten kann.
Mit dem Familienpflegezeitgesetz und der darin festgeschriebenen Familienpflegezeit sollen pflegende Angehörige Unterstützung und Entlastung erhalten. Das Gesetz regelt, dass Berufstätige ihre Arbeitszeit reduzieren können, um ein Familienmitglied zu pflegen. Während der Familienpflegezeit genießen Sie Kündigungsschutz. Nach dem Ende dieser Pflegezeit nehmen Sie Ihre Beschäftigung ganz normal wie zuvor wieder auf.
Häufige Fragen und Antworten zur Familienpflegezeit
Ja, es gibt einen Anspruch auf Familienpflegezeit. Jedoch ist dieser im Gesetz begrenzt und abhängig von der Größe des Unternehmens. So besteht kein Anspruch bei Arbeitgebern mit in der Regel 25 oder weniger Beschäftigten.
Der Pflegebedürftige kann bei der Pflegekasse Pflegegeld beantragen. Damit kann er seinen pflegenden Angehörigen unterstützen.
Außerdem haben alle Pflegebedürftigen ab Pflegestufe 2 Anspruch auf Pflegesachleistungen. Den monatlichen Entlastungsbeitrag in Höhe von 125 Euro erhalten sogar alle Pflegebedürftigen.
Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherung laufen bei reduzierter Lohnzahlung weiter. Durch das geringere Einkommen reduzieren sich allerdings auch Arbeitslosengeld und Krankengeld, sofern Sie arbeitslos würden beziehungsweise durch längere Krankheit beruflich verhindert sind.
Ebenfalls verringern sich die Beiträge zur Rentenversicherung. Sie können jedoch zusätzliche Beiträge über die Pflegekasse beantragen.
Will ein Arbeitnehmer Familienpflegezeit nehmen, muss er sich mit dem Arbeitgeber über die reduzierte Arbeitszeit einigen und einen Vertrag abschließen. Das Unternehmen zahlt seinem Beschäftigten dann das anteilige Gehalt zur reduzierten Arbeitszeit.
Vom fehlenden Betrag stockt der Arbeitgeber ebenfalls die Hälfte auf. Diese finanziert er aus einem zinslosen Bundesdarlehen. Das zahlt er zurück, indem er nach Beendigung der Familienpflegezeit einen Teil vom Gehalt einbehält.
Das Familienpflegezeitgesetz sieht vor, dass Sie pro pflegebedürftiger Person nur einmal Pflegezeit nehmen können. Es ist aber möglich, dass sich mehrere Personen die Familienpflegezeit aufteilen.
Ein Beispiel: Bei Familie Müller wird Frau Müller pflegebedürftig. Ihre beiden Töchter Anna und Sophie nehmen 12 Monate Familienpflegezeit, um sich um ihre Mutter zu kümmern. Sie können entweder beide gleichzeitig 12 Monate beantragen, dann haben sie den Gesamtanspruch von 24 Monaten aufgebraucht. Oder sie können sich die Zeit aber auch aufteilen und nacheinander nehmen.
Familienpflegezeit Voraussetzungen: Wer kann sie nehmen?
Um eine Familienpflegezeit zu nehmen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die zwei wichtigsten sind:
- Größe des Unternehmens
Das Gesetz schreibt ein Recht auf Familienpflegezeit fest. Allerdings gilt dieses nur, wenn der Arbeitgeber mehr als 25 Beschäftigte hat. Kleinere Unternehmen sind von dem Gesetz ausgenommen. Auch Beamte und Beamtinnen können keine Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. - Beziehung zum Pflegebedürftigen
Nur nahe Angehörige des Pflegebedürftigen dürfen Familienpflegezeit nehmen. Als nahe Angehörige gelten: Kinder, Enkelkinder, Adoptiv- oder Pflegekinder (sowohl eigene als auch die des Partners oder der Partnerin), Geschwister sowie Ehepartner oder Lebenspartner.
Familienpflegezeitgesetz (FPfZG)
Wir haben für Sie die wichtigsten Aspekte aus dem Gesetz über die Familienpflegezeit übersichtlich aufgelistet:
- Beschäftigte sind von der Arbeitsleistung für längstens 24 Monate (Höchstdauer) teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (Familienpflegezeit). Bei unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten oder einer unterschiedlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit darf die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Zeitraums von bis zu einem Jahr 15 Stunden nicht unterschreiten (Mindestarbeitszeit).
- Während der Familienpflegezeit muss die verringerte Arbeitszeit wöchentlich mindestens 15 Stunden betragen.
- Pflegezeit und Familienpflegezeit dürfen gemeinsam 24 Monate je pflegebedürftigem nahen Angehörigen nicht überschreiten (Gesamtdauer).
- Die Familienpflegezeit wird auf Berufsbildungszeiten nicht angerechnet.
- Beschäftigte sind von der Arbeitsleistung für längstens 24 Monate (Höchstdauer) teilweise freizustellen, wenn sie einen minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung betreuen. Die Inanspruchnahme dieser Freistellung ist jederzeit im Wechsel mit der Freistellung nach Absatz 1 im Rahmen der Gesamtdauer möglich.
(Quelle: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz)
Welche Formen der Freistellung gibt es?
Wird ein Familienmitglied pflegebedürftig, haben berufstätige Angehörige verschiedene Möglichkeiten, um sich um den Pflegebedürftigen zu kümmern. Das sind Optionen und deren Unterschiede:
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung: Bis zu 10 Tage
Eine Pflegebedürftigkeit kann ganz plötzlich entstehen. Etwa durch einen Unfall oder eine Erkrankung. In einem solchen Fall können Arbeitnehmer dem Job bis zu zehn Tage fernbleiben. So können sie sich um die pflegebedürftige Person kümmern und eine Pflege organisieren. Eine Lohnfortzahlung besteht nur bei arbeitsvertraglicher Vereinbarung.
In dieser Zeit besteht jedoch Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld als Ausgleich für den Lohnausfall. Es liegt bei 90 Prozent des ausgefallenen Netto-Entgelts, beantragen müssen Sie es bei der Pflegekasse. Voraussetzung ist, dass Sie die kurzzeitige Arbeitsverhinderung umgehend ankündigen und per ärztlichem Attest nachweisen. Die kurzzeitige Arbeitsverhinderung ist auch in kleinen Betrieben unabhängig von der Mitarbeiterzahl möglich.
Pflegezeit: Bis zu 6 Monate
Die Pflegezeit ermöglicht eine längerfristige Freistellung vom Job. Berufstätige können sich bis zu sechs Monate teilweise oder vollständig vom Job freistellen lassen, um einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen. Dies müssen Angehörige zehn Tage vor Beginn der Pflegezeit dem Arbeitgeber mitteilen. Zusätzlich müssen Sie dem Unternehmen den Zeitraum ankündigen.
Wie bei der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung muss dafür wenigstens Pflegegrad 1 vorliegen. Als Ausgleich für den Lohnausfall können Sie ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Pflegezeit bei einem Unternehmen mit weniger als 15 Beschäftigten.
Begleitung in der letzten Lebensphase: Bis zu 3 Monate
Eine Sonderform der Pflegezeit ist die Begleitung in der letzten Lebensphase. Sie ermöglicht es pflegenden Angehörigen, bis zu drei Monate teilweise oder vollständig aus dem Beruf auszusteigen. Diese Option besteht auch, wenn die pflegebedürftige Person in einem Hospiz versorgt wird.
Familienpflegezeit: Bis zu 24 Monate
Dank Familienpflegezeit können sich Berufstätige bis zu 24 Monate teilweise vom Job freistellen lassen. Voraussetzung ist, dass sie weiterhin 15 Stunden pro Woche arbeiten. Mindestens acht Wochen vorher müssen Sie Ihrem Arbeitgeber mitteilen, dass und in welchem Umfang Sie die Familienpflegezeit nehmen wollen.
Ebenso wie bei der Pflegezeit können Sie auch bei der Familienpflegezeit ein zinsloses Darlehen beantragen. Für die Familienpflegezeit existiert außerdem eine Härtefallregelung. Sollte ein pflegender Angehöriger zur Rückzahlung nicht in der Lage sein, gibt es die Möglichkeit der Stundung, des teilweisen Darlehenserlasses oder dass die Darlehensschuld vollständig erlöscht.
Wie lange kann man Familienpflegezeit nehmen?
Innerhalb der Höchstdauer von 24 Monaten können Sie selbst entscheiden, wie lange Sie Familienpflegezeit nehmen möchten. Haben Sie zuvor bereits andere Freistellungsmöglichkeiten in Anspruch genommen, beispielsweise Pflegezeit, wird diese Zeit angerechnet. Eine Kombination ist auch nur dann möglich, wenn Sie die Familienpflegezeit direkt im Anschluss nehmen. In bestimmten Fällen endet die Familienpflegezeit vorzeitig. Dazu gehört:
- Die Pflege findet nicht mehr in häuslicher Umgebung statt.
- Es liegt keine Pflegebedürftigkeit mehr vor.
- Der oder die Pflegebedürftige verstirbt.
In den oben beschriebenen Fällen ändern sich die Umstände und damit auch die Voraussetzungen für die Familienpflegezeit. Vier Wochen nach Eintritt der Veränderung endet die Familienpflegezeit.
Wie frage ich den Arbeitgeber nach Familienpflegezeit?
Arbeiten Sie für ein Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigen, haben Sie ein Recht auf Familienpflegezeit. Heißt: Ihr Arbeitgeber muss Ihrem Wunsch nachkommen, sofern keine dringenden betrieblichen Gründe dagegen sprechen.
Trotzdem müssen Sie dem Arbeitgeber mitteilen, dass Sie Familienpflegezeit in Anspruch nehmen. Dies sollten Sie mindestens 8 Wochen vorher schriftlich tun. In den Antrag gehören:
- Ankündigung, dass Sie Familienpflegezeit nehmen
- Genauer Zeitraum
- Umfang der Wochenstunden, in denen Sie weiterhin arbeiten möchten
- Bescheinigung über den Pflegegrad
Denken Sie daran, dass Sie laut Gesetz im Jahresdurchschnitt weiterhin 15 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Diesen Antrag reichen Sie bei der zuständigen Person für Personalfragen ein. Nach Prüfung erhalten Sie von Ihrem Arbeitgeber eine Bestätigung.
Familienpflegezeit bei kleinen Unternehmen
Wer für ein Unternehmen mit weniger als 25 Beschäftigten arbeitet, hat keinen rechtlichen Anspruch auf Familienpflegezeit. Sie können bei Ihrem Arbeitgeber eine Freistellung beantragen. Stimmt der Arbeitgeber der Freistellung zu, handelt es sich um eine individuelle Absprache. Es ist keine Freistellung nach dem Familienpflegezeitgesetz. Das bedeutet, dass Sie für die Zeit der Freistellung keinen besonderen Kündigungsschutz haben.
Wie können Sie das Darlehen beantragen?
Mit der Familienpflegezeit können Sie für den Zeitraum ein zinsloses Darlehen beantragen. Dieses gewährt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Sie erhalten dann monatlich die Hälfte der Differenz zwischen Ihrem Gehalt vor und während der Freistellung (netto). Grundlage der Berechnung ist Ihr Gehalt der letzten zwölf Monate vor Beginn der Familienpflegezeit. Wie hoch dieser Betrag ausfällt, können Sie über über den Darlehensrechner des Amtes berechnen. Statt des vollen Darlehensbetrags können Sie sich auch für eine kleinere monatliche Rate entscheiden.
Die Rückzahlung des Darlehens beginnt ab dem ersten Monat nach der letzten Darlehensrate. Das Darlehen muss innerhalb von 48 Monaten zurückgezahlt werden. Können Sie das Darlehen nicht zurückzahlen, weil Sie beispielsweise Arbeitslosen- oder Krankengeld erhalten, können Sie eine Stundung beantragen. Haben Sie das Darlehen nicht für den gesamten Zeitraum der Familienpflegezeit beantragt, kann die Rückzahlung auf den Zeitpunkt nach dem Ende der Familienpflegezeit verschoben werden.
Das Darlehen können Sie selbst beim Amt beantragen. Dafür steht Ihnen dieses Formular zur Verfügung. Folgende Unterlagen legen Sie dem Antrag bei:
- Lohnbescheinigungen der letzten zwölf Monate
- Bescheinigung der Pflegebedürftigkeit der zu pflegenden Person
- Vereinbarung über die teilweise Freistellung vom Job
Den Antrag für das Darlehen schicken Sie an folgende Adresse:
Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben
Referat 504
50964 Köln
Zahlen und Fakten zur Pflege in Deutschland
Laut statistischem Bundesamt leben in Deutschland 4,1 Millionen Pflegebedürftige. Vier von fünf Pflegebedürftigen werden zuhause betreut. Der Großteil von ihnen – insgesamt 2,3 Millionen – werden von Angehörigen gepflegt. Nur ein Fünftel der Pflegebedürftigen wird im Pflegeheim betreut.
Die Zahlen spiegeln die Wünsche für den Pflegefall wieder. Eine Umfrage der R+V Versicherung ergab, dass rund 70 Prozent der Befragten sich eine Pflege zuhause durch den Partner wünschen. Die Hälfte der Befragten kann sich eine Pflege durch die Kinder oder Angehörige vorstellen. Mehrfachnennungen waren bei der Umfrage möglich.
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