Bandscheibenvorfall – was tun?
Was kann man bei einem Bandscheibenvorfall tun? Die Antwort auf diese Frage ist nicht so ganz einfach. Immerhin ist jeder Bandscheibenvorfall anders.
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, wie ein Bandscheibenvorfall (medizinisch: Prolaps) entsteht. Die 23 Bandscheiben befinden sich zwischen den Wirbeln im Rücken und dienen dort als eine Art eine Puffer. Sie federn Stöße und verhindern, dass die Wirbel aneinander reiben und sich abnützen oder Nervenbahnen schädigen. Eine Bandscheibe besteht außen aus festem Gewebe (dem sogenannten Faserring) und innen aus einem Gallertkern, der wie eine Art Gelkissen funktioniert.
Ein Bandscheibenvorfall entsteht dann, wenn durch eine Bindegewebsschwäche der Gallertkern austritt oder sich verformt und in der Folge auf Nervenbahnen im Rückenmark drückt. Diese Bindegewebsschwäche, verursacht durch Flüssigkeitsverlust, die den Faserring unelastisch werden lässt, tritt meist bei Menschen zwischen 30 und 50 auf.
Ist dies der Fall und Sie verspüren starke Schmerzen in Rücken und Bein, sollten Sie einen Orthopäden aufsuchen. Es macht keinen Sinn sich zu quälen, denn meistens nimmt aufgrund der Schmerzen der Körper unwillkürlich Schonhaltungen ein. Diese führen in aller Regel zu Verkrampfungen der Muskeln und Faszien und damit zu noch mehr Schmerzen.
Erste Hilfe bei akutem Bandscheibenvorfall
Bei einem akuten Bandscheibenvorfall hilft es den Patienten meist, wenn sie in der sogenannten Stufenlage ruhiggestellt werden. Das bedeutet, dass der Rücken flach auf einer festen Unterlage liegt und die Beine im 90-Grad-Winkel hochgelagert werden. Das entlastet den Rücken.
Ging man früher davon aus, dass ein Bandscheibenvorfall über mehrere Wochen in dieser Schonlage gestützt werden muss, ist man sich heute sicher, dass dies nur als erste Maßnahme taugt. Im Gegenteil: Durch diese Haltung können sich dauerhaft die stützenden Muskeln zusätzlich zurückbilden und die Beschwerden verstärken sich langfristig unter Umständen noch.
Inzwischen weiß man, dass eine verformte Bandscheibe so gut wie möglich in Bewegung gehalten werden muss. Das bedeutet: Die beste Therapie ist, die Beweglichkeit des Rückens durch leichte Übungen zur Dehnung zu erhalten. Schmerzmittel sollten Sie dabei über mehrere Tage ausschließlich auf ärztliche Anweisung hin einnehmen.
Wie erkenne ich, ob ich einen Bandscheibenvorfall habe?
Da in der Bandscheibe selbst keine Nerven verlaufen, kann es sein, dass ein Bandscheibenvorfall völlig unbemerkt bleibt. Schmerzhaft wird es erst, wenn der ausgetretene Gallertkern auf einen Nerv trifft.
Ein Bandscheibenvorfall kann grundsätzlich überall in der Wirbelsäule auftreten:
- HWS-Bandscheibenvorfall: Zwischen den sieben Wirbeln der Halswirbelsäule
- BWS-Bandscheibenvorfall: Zwischen den zwölf Wirbeln der Brustwirbelsäule
- LWS-Bandscheibenvorfall: Zwischen den fünf Wirbeln der Lendenwirbelsäule
Wir sitzen heutzutage viel häufiger (mit gebeugtem Rücken) als früher. Deshalb entsteht ein Bandscheibenvorfall in den allermeisten Fällen in der unteren Rückenpartie, der LWS (90 Prozent der Vorfälle). Der Nacken, die HWS ist ebenfalls nicht selten betroffen.
Einen Bandscheibenvorfall nur anhand der Symptome zu erkennen, ist kaum möglich. In der Regel muss dieser anhand einer MRT-Untersuchung (Magnetresonanztomographie) bestätigt werden. Denn nur bei ungefähr vier Prozent aller Rückenschmerzpatienten handelt es sich um einen Bandscheibenvorfall.
Bandscheibenvorfall: Übungen unterer Rücken
Bei einem akuten Bandscheibenvorfall dürfte es Ihnen vermutlich einige Probleme machen, bestimmte Übungen durchzuführen. Aus diesem Grund können wir Ihnen an dieser Stelle keine Pauschalanleitungen geben. Eines ist aber extrem wichtig: Wenn Sie bei einer Übung oder Bewegung Schmerzen verspüren, dann lassen Sie diese sein. Zähne zusammenbeißen ist kontraproduktiv und macht alles nur noch schlimmer.
Trotzdem sollten Sie nicht völlig untätig sein. Entgegen früherer Empfehlungen, sollten Sie Ihren Rücken bei einem Bandscheibenvorfall in Bewegung halten. Einige Übungen können Ihnen dabei vermutlich helfen:
- Dehnen
Dehnen Sie Ihre Muskulatur. Nicht ruckartig, sondern ganz langsam. Stellen Sie sich gerade hin und lehnen Sie sich Stück für Stück nach hinten. Der ganze Prozess kann gut und gerne mehrere Minuten andauern. Beugen Sie sich anschließend nach vorne. Hier sollten Sie ebenfalls Stück für Stück vorgehen. Halten Sie dabei die Beine gestreckt. Sie müssen nicht mit Ihren Händen die Zehen berühren, aber es sollte in diese Richtung gehen. Entspannen Sie anschließend und lockern sich. - Vierfüßerstand
Der Klassiker: Gehen Sie auf die Knie in den Verfüßerstand indem Sie sich vorne auf Ihre Hände stützen. Strecken Sie nun abwechselnd langsam einen Arm und das gegenüberliegende Bein aus und halten diese Spannung einige Sekunden. Dann die andere Seite. Wiederholen Sie diese Streckübung mindestens zehnmal. - Kugelfisch-Goldfisch
Bleiben Sie auf den Knien. Am idealsten sogar auf einem Gymnastikball. Es geht aber auch ohne. Kugeln Sie sich ein, indem Sie den Rücken ganz rund machen. Danach strecken Sie sich langsam, in dem Sie die Arme und Beine nach oben strecken. Der Rücken sollte nach Möglichkeit ein Hohlkreuz bilden. Wechseln Sie mindestens fünfmal zwischen diesen beiden Haltungen. - Bauchmuskelanspannung
Diese Übung ist ebenfalls ein Klassiker. Sie lässt sich genauso am besten im Vierfüßerstand durchführen wie die letzten beiden. Ziehen Sie den Bauch ein und machen einen Rundrücken. Halten Sie diese Muskelspannung einige Sekunden, ehe Sie den Kopf nach oben strecken und ins Hohlkreuz fallen. Wiederholen Sie diese Übung zwanzigmal.
Kann ein Bandscheibenvorfall von selbst wieder verschwinden?
Die Ursache eines Bandscheibenvorfalls liegt wie schon erklärt in der Schwäche des Faserrings. Die Stabilität dieses Faserrings ist von Mensch zu Mensch von Natur aus unterschiedlich. Dennoch können einige Belastungen den Ausbruch des Gallertkerns letztendlich begünstigen beziehungsweise beschleunigen:
- Heben schwerer Lasten
- Falsche Belastung des Rückens
- Häufiges Sitzen
- Alterungsprozesse
- Übergewicht
- Mangelnde Bewegung
Manchmal entsteht ein Bandscheibenvorfall sukzessive, manchmal plötzlich wie ein Hexenschuss. In einigen Fällen kommt es tatsächlich vor, dass dieser Bandscheibenvorfall nach einigen Tagen von alleine wieder verschwindet. Dafür müssen aber die Muskeln entspannt sein.
Das funktioniert nur über Bewegung. Spazieren gehen oder Nordic Walking ist in vielen Fällen eine gute Therapie bei leichten Beschwerden.
Bandscheibenvorfall Dauer und Krankschreibung
Leider zieht sich Bandscheibenvorfall jedoch in den meisten Fällen sehr lange hin, selbst wenn er behandelt wird. Selten nur über einige Wochen, meist über mehrere Monate.
Unter Umständen leiden Patienten jahrelang unter einem Bandscheibenvorfall und probieren viele unterschiedliche Therapien aus.
Eine Krankschreibung über so lange Zeit ist dann selten möglich. Nur in sehr seltenen Fällen sind die Betroffenen vollkommen arbeitsunfähig. Meist quälen sie sich jahrelang zur Arbeit.
Dies wirkt sich mitunter dann sogar auf ihre Psyche aus. Nicht selten haben die langjährigen Beschwerden bei einigen sogar eine Depression ausgelöst.
Bandscheibenvorfall Symptome: Wo sind die Schmerzen bei Bandscheibenvorfall?
Sitzende Tätigkeiten belasten die Bandscheiben einseitig und können einen Bandscheibenvorfall fördern. Sie sind zwar nicht unbedingt die Ursache, aber doch häufig der letztendlich entscheidende Auslöser.
Dies verursacht einige Symptome, die typisch für einen Bandscheibenvorfall sind:
- Starke Rückenschmerzen
- Verhärtete Rückenmuskulatur
- Schmerzausstrahlung oder Kribbeln in Bein oder Gesäß (LWS) beziehungsweise Arm (HWS)
- Vereinzelt Kopfschmerzen
Bandscheibenvorfall: Schmerzen im Bein
Gerade in der LWS kommt es dabei häufig zu großen Schmerzen, die bis ins Bein und manchmal sogar in den Arm ausstrahlen. Da der Ischiasnerv nahe den Bandscheiben verläuft, klagen Betroffene häufig über dumpfe, starke, ein- oder beidseitige Schmerzen in Ober- und Unterschenkel.
Mitunter kommt es sogar zu Taubheitsgefühlen oder gar Lähmungserscheinungen. Ist dies der Fall, sollten Sie nicht mit dem Besuch bei einem Orthopäden zögern. Dieser wird nach der Anamnese (Befragen nach der individuellen Krankengeschichte und den Lebensumständen) Ihren Rücken abtasten.
Anschließend kommen bildgebenden Diagnosemethoden wie der Magnetresonanz-Tomographie (MRT), Computer-Tomographie (CT) beziehungsweise eine Röntgenuntersuchung zum Einsatz. So werden die genauen Beschwerden analysiert und lokalisiert.
Muskulatur und Faszien müssen berücksichtigt werden
Trotzdem zeigen diese Bilder nur einen Teil der Problemstellung. Häufig entwickelt sich durch einen Bandscheibenvorfall eine sogenannte Schmerzspirale. Der Körper versucht dem Schmerz unwillkürlich durch eine Art Schonhaltung entgegen zu wirken. Das führt zu einer Verspannung der Muskelpartien führt, die wiederum die Schmerzen verstärken, wodurch sich weitere Fehlhaltungen entwickeln.
Oft ist daher nicht der Bandscheibenvorfall selbst das eigentliche Problem und der Schmerzverursacher, sondern eine Fehlspannung der Muskeln und Faszien.
Darum ist man inzwischen davon abgekommen, vorzeitig zu operieren. Früher wurde ein Bandscheibenvorfall sehr viel schneller und somit häufiger einer Operation (OP) unterzogen. Das Ergebnis zeigte jedoch oftmals nicht den gewünschten Erfolg.
Heutige Therapiemethoden sind vielfältig
Inzwischen gehen die Mediziner mit mehr Geduld an einen Bandscheibenvorfall heran. Es ist klar, dass sich ein Therapieerfolg nicht über Nacht einstellen kann. Daher wird zum Glück zunehmend manuelle Therapie verschrieben. Das bedeutet, dass sich ein Physiotherapeut zunächst in vielen Behandlungen der Beschwerden annimmt. Dabei sind seine Möglichkeiten durchaus vielfältig:
- Krankengymnastische Übungen
- Massagen zur Muskellockerung
- Behandlungen durch Wärme
- Muskelentspannung und Dehnung der Wirbelsäule im Schlingentisch
- Entspannungsübungen
Parallel dazu werden häufig Schmerzmittel verschrieben. Diese sind wichtig, um zum einen den Alltag für die Patienten einigermaßen erträglich zu gestalten. Zum anderen verhindern sie, dass sich ein sogenanntes Schmerzgedächtnis bildet, das wiederum zu weiteren Fehlhaltungen führt.
Wenn all dies nichts nutzt oder gar eine Lähmung besteht, wird als äußerstes Mittel schließlich zur OP gegriffen. Dabei gibt es verschiedene Verfahren:
-
Minimal-invasive Methoden
Mit einem Operationsmikroskop, einem Endoskop beziehungsweise kleiner Spezialinstrumente wird die betroffene Bandscheibe quasi abgeschnitten, um die Nerven wieder zu entlasten. Dabei sind nur kleine Schnitte nötig, weshalb diese Technik auch als minimal-invasives Verfahren bezeichnet wird. Da die OP unter Vollnarkose durchgeführt wird, besteht wie bei jeder Operation ein geringes Risiko. In sehr seltenen Fällen wird sogar der Nerv verletzt. Zwischenfälle dieser Art sind jedoch eher die Ausnahme.
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Offene Diskektomie
Hier sind größere Schnitte nötig. Dieses Verfahren wird inzwischen seltener angewandt, da die Risiken etwas größer sind. Da aber nicht jeder Arzt das minimal-invasives Verfahren beherrscht und nicht jeder Patient über eine lange Strecke in eine Spezialklinik transportfähig ist, muss zuweilen dieses Verfahren trotzdem angewandt werden. Hier wird die Bandscheibe ebenfalls teilweise entfernt.
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Laserdiskusdekompression
Ist der Faserring nur verformt, aber noch nicht durchbrochen, lassen sich diese Verformungen mit einem kleinen Laser quasi wegbrennen. Dieses Verfahren ist nur mit einem geringen Eingriff verbunden und gilt daher als eher risikoarm.
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Implantate
Wo früher einfach die entsprechende Rückenpartie versteift wurde, wenn die Bandscheibe völlig zerstört war, imitieren heute Implantate eine gesunde Bandscheibe. Diese Methode kommt nur bei wirklich schweren Vorfällen in Betracht, da sie sehr aufwändig ist und Langzeitstudien dazu fehlen.
Einem Bandscheibenvorfall vorbeugen
Obwohl sogar gesunde Sportler und fitte Menschen einen Bandscheibenvorfall erleiden können, gibt es einige Möglichkeiten, wie Sie das Risiko, daran zu erkranken, minimieren können:
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Bewegung
Halten Sie den Rücken beweglich, am besten mit unterschiedlichen, gymnastischen Übungen, die Sie täglich ausüben. Achten Sie dabei darauf, dass Sie die Bauchmuskelpartien, die normalerweise im Alltag durch das viele Sitzen völlig vernachlässigt werden, stärken. Das stützt Ihren Rücken. Schwimmen und Yoga sind ebenfalls gut.
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Gewicht
Vermeiden Sie Übergewicht. Dieses setzt sich meistens an der Körpervorderseite an und zieht diesen zusätzlich nach vorne. Dann muss die Rückenstreckermuskulatur stärker arbeiten und belastet so die Bandscheiben zusätzlich.
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Matratze
Wählen Sie eine Matratze, die Ihren Rücken im Schlaf ausreichend stützt und nicht zu weich ist. Am besten eine, die auch in verschiedenen Schlafpositionen angenehm ist.
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Tätigkeiten
Vermeiden Sie wo es geht zu langes Sitzen und zu schweres Heben. Stehen Sie öfters von Ihrem Schreibtisch auf und bewegen sich etwas. So können die Bandscheiben ihre Funktion ausüben. Sie werden gedrückt und wieder entspannt. Auf diese Weise sorgen Sie dafür, dass die diese nicht „verhungern“. Im Gegenteil: Sie füllen sich stetig mit Flüssigkeit und entleeren sich wieder. Und wenn Sie etwas tragen müssen, achten Sie dabei darauf, die Wirbelsäule möglichst gleichmäßig und rückenfreundlich zu belasten. Heben Sie körpernah und vermeiden Sie ein Hohlkreuz unter Belastung.
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Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und informiert Sie nur allgemein. Er kann und soll eine medizinisch-ärztliche Beratung nicht ersetzen. Vor der Einnahme eines Medikamentes lesen Sie bitte die Packungsbeilage sorgfältig durch und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.